14.11.2007

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

gegen das Vergessen

 

Es mag ja politisch korrekt sein, aber es ist nicht richtig:

der 9. November 1938 erlangte eben nicht, wie es zu Beginn eines Artikels (WAZ Duisburg, 10.10.2007) heißt,  als „Reichspogromnacht“ traurige Berühmtheit. Dieser Begriff ist erst seit 15, höchstens 20 Jahren „berühmt“. Den 9.11.1938 hatten die Nazis „Reichskristallnacht“ genannt, und bis Mitte der 1980er Jahre hatten auch die Gedenkveranstaltungen das Wort „Kristallnacht“ im Namen getragen. Ich erinnere hier an das – ziemlich missratene, aber doch – antifaschistische Lied „Kristallnacht“ der Kölner Rockband BAP.

Also: zur „Berühmtheit“ haben die Nazis voller Stolz den 9.11.38 gebracht, unter dem vermeintlich hübsch klingenden Namen „Reichskristallnacht“. Aber auch nach 1945, inzwischen mutiert zur „traurigen Berühmtheit“, hat dieser „Auftakt“ zum Holocaust seinen Namen nicht geändert. Dies geschah erst im Zusammenhang mit der Entstehung der political correctness.

Ich begrüße ausdrücklich, dass die WAZ Duisburg „gegen das Vergessen“ schreibt – wie hier, am 10.11, aber auch heute, am 14.11., wieder. Mir liegt es auch fern, die Gefühle derjenigen, die diese Gräuel – ob nun als Opfer oder einfach nur als menschlich Gebliebene – miterleben mussten, zu verletzen. Aber: auch ich bin gegen das Vergessen. Oder Verdrängen. Und das fängt mit der Wortwahl an: aus der „Reichskristallnacht“ wurde erst die „Reichspogromnacht“. Jetzt kann man hier und da schon vom „Novemberpogrom“ lesen. Ehrlich! – Zynisch nachgefragt: weil das Wort „Reich“ auch ein Tabu ist? Was wird man sich als nächstes einfallen lassen: vielleicht „Novemberübergriff“, weil ja der Begriff „Pogrom“ nicht allzu bekannt ist?
Spätestens an dieser Stelle, wenn nichts mehr auf die Nazis, nichts mehr auf die (meisten) Deutschen, nichts mehr auf die Juden hinweist – spätestens hier wird das Vergessen einsetzen. Und das will ich nicht, das will auch die Autorin nicht, das will die WAZ nicht!
Und es ist ja nicht die WAZ allein, alle benutzen es, auch und gerade die Organisationen der Opfer. Das Wort von der „Reichspogromnacht“ hat inzwischen in der Tat eine für mich „traurige Berühmtheit“ erlangt. Ein Wort der Kritik an der Autorin: das Signal zum fabrikmäßig organisierten Völkermord mit dem Adjektiv „traurig“ zu bezeichnen, macht mich nun wiederum etwas traurig.

Aber im Ernst: Danke für diesen Bericht! Und wenn es halt eine Weile noch beim Terminus  „Reichspogromnacht“ bleiben muss – mehr als meine Meinung äußern kann ich ja nicht. Aber bitte kein „Novemberpogrom“, bitte nicht! Schreiben Sie weiter

gegen das Vergessen

Werner Jurga, 14.11.2007

 

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