30.10.2007

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Gestern hatte ich angekündigt, mich nicht zum SPD-Parteitag am vergangenen Wochenende äußern zu wollen. Da ich allerdings an gleicher Stelle einräumen musste, ein Versprechen gebrochen zu haben, muss ich heute unbedingt Wort halten.

 Versprochen ... gehalten

Warum ich nichts zum Parteitag sagen will? – Nun, ich bin doch Mitglied der SPD – und wie in allen Parteien: verhält man sich parteischädigend, fliegt man raus. Zumindest in der Theorie, laut Satzung: zählte ich jetzt alle auf, die sich parteischädigend verhalten und nicht einmal Schimpfe bekommen, müsste ich wohl bei meinem Provider einen teureren Tarif wählen – wegen der großen Datenmenge. Außerdem wäre das wahrscheinlich auch parteischädigend, also lasse ich das. Ich bin in der SPD und fest entschlossen, dies dieses Leben so beizubehalten.

Außerdem lässt man sich als 50jähriger nicht mehr aus der Partei ausschließen. Zu blöde, so was. Selbst als Juso ist mir das nicht passiert. Ich bin irgendwann freiwillig gegangen, so im 3. Semester.
Und weil es ja doch rauskommen kann, gebe ich es schon jetzt zu. Bin ja kein Politiker: die geben immer die Dinge erst dann zu, wenn sie sowieso schon rausgekommen sind. Immerhin. Die Duisburger Ballermänner sind da noch härter drauf. Hier also das Geständnis: 1979 hatte ich mich – nein, nicht der RAF, die Arschlöcher reißen ja gegenwärtig wieder ganz schön ihre Killerfressen auf – den Marxisten angeschlossen. Fünf Jahre lang Marxist, Schuld und Scham auf mich geladen, Schimpf und Schande über mich. Aber jetzt ist es raus: ich fühle mich besser!
Heften wir das doch mal ab als Jugendsünde. Danke! Wie gesagt: immerhin mussten mich die Sozis nicht erst feuern. Andere Juso-Genossen hatten da weniger Fortune: Rudolf Scharping z.B., der war gar nicht so schrecklich links, damit das aber bei den Jusos nicht ganz so doll auffiel, hat er dann einmal „US-Imperialismus“ gesagt. Zack: raus! Nun ja: der durfte dann wieder rein, wurde dann Ministerpräsident und später Parteivorsitzender, jetzt ist er nur noch Radfahrer. Anders der Klaus Uwe Benneter, der war wirklich verdammt links: Stamokap. Als Juso-Bundesvorsitzender sagte er: „Klassenfeind“. Logisch: Zack: raus! Nachfolger wurde dann ein gewisser Gerhard Schröder, noch weiter links, nicht Stamokap, sondern Antirevisionist. Also echt für die Revolution. Aber ein Freund vom Klaus Uwe. Auch deshalb durfte Benni bald wieder rein, wurde viel später dann SPD-Generalsekretär.

Sozialismus, Karl Marx und so

Auch ich bin also wieder in die SPD eingetreten; aus mir jedoch ist nichts geworden. Vielleicht weil ich kein Politiker bin (siehe vorletzten Absatz), so vom Typ her, vielleicht wegen meiner Rechthaberei (siehe Startseite – link). Z.B. bin ich halsstarrig der Meinung, die Kritik der Politischen Ökonomie des Kapitalismus, die Karl Marx entwickelt hatte, sei in hohem Maße realitätskongruent. Damals wie heute, wobei heute aktueller, weil treffender denn je. Ich ahne Ihren Einwand: die Verelendungstheorie sei ja wohl ein Schuss in den Ofen gewesen. Nun zählt diese auch weniger zur politisch-ökonomischen Analyse, eher zu den geschichtsphilosophischen Spekulationen des Karl Marx. Und da stimmt so einiges nicht: jedenfalls hat das Kapital mit dem verelendeten Proletariat nicht seinen Totengräber geschaffen. Aber bedenken Sie bitte: ein anderer Jude, also nicht der Begründer der modernen Sozial-, sondern der  Initiator der zeitgenössischen Naturwissenschaft wies zu Recht darauf hin, dass alles relativ sei. Setzen Sie also die richtigen Relationen! Vergleichen Sie den heutigen Proleten nicht mit seinem Klassenkameraden von vor 200 Jahren, sondern mit seinen gegenwärtigen Zeitgenossen höheren Standes. Schauen Sie auf den Grad seiner gesellschaftlichen Integration (SPD-Deutsch: Teilhabe), und nicht auf seine Ausstattung mit TV-Flachbildschirmen. Und wenn das für Sie – von mir unbelehrbar – doch das Maß aller Dinge ist (wie z.B. für den Generalsekretär der NRW-FDP), dann glauben Sie mir bitte: ich habe immer noch kein Fernsehgerät 16:9, HD ready und so. Also kann selbst die Verelendungstheorie so ganz falsch nicht sein.
Ob es damit zusammen hängt, dass die SPD – und das sagen nun einmal alle – nach links gerückt ist? Sozialismus statt Freiheit? Sozialistische Gleichmacherei statt freier Fahrt für freie Bürger? Tempo 130 für alle, will heißen: auch die Leistungsträger, die sich ein richtiges Auto leisten können, sollen nicht schneller fahren dürfen als dieser Kleinwagen-Plebs. Der neue CDU-Chef Huber hat schon vor seiner Wahl, also im parteiinternen Wahlkampf in Hinblick auf EU-Diktatphantasien losgepoltert: „Wir Deutsche lassen uns nicht zu einem Volk von Kleinwagenfahrern degradieren!“ Und was sagt Thomas Mahlberg, der Vorsitzende der Duisburger CDU? – Die Forderung des SPD-Parteitages, nämlich nach einem Tempolimit 130, sei „populistisch“. Soll ja ein ganz netter Kerl sein, der Thomas Mahlberg, aber der hat immer Dinger drauf. Tempo 130 bringt die anständigen Deutschen so richtig in Wallung, eine Riesenaufregung, und Herr Mahlberg diagnostiziert Populismus. „Populismus“, hatte ich immer gedacht, sei,  wenn Politiker in unverantwortlicher Weise – um der Wählerstimmen willen – das unverantwortliche Geschwätz des Volkes nachplappern. 

Der Thomas Mahlberg, der hat immer Dinger drauf: bei einer Podiumsdiskussion im letzten Bundestagswahlkampf beklagte er sich über die Steuererhöhungen der rot-grünen Bundesregierung. Worauf ich ihn fragte, wann denn die Schröder-Regierung welche Steuer erhöht habe, da fiele mir jetzt gar nichts ein. O-Ton Mahlberg: „Ich habe nachgedacht: die Tabaksteuer.“ Ja, da musste ich passen; da hatte er mal wieder Recht. Da gebe ich auf. Und wenn solch ein kluger Mann sich zum SPD-Parteitag äußert, dann brauche ich es ja nicht mehr zu tun.

Versprochen ... gehalten.

 

Werner Jurga, 30.10.2007

 

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