Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Andreas Scholz hatte mir am 26. Februar auf seiner Homepage vorgeworfen, den Israel-Boykottaufruf nur deshalb thematisiert zu haben, um die Chancen des SPD-Kandidaten bei der Kommunalwahl zu erhöhen. Und zwar, um mit einem lukrativen Pöstchen belohnt zu werden, wie er mir in einem größeren Polit-Blog weiter unterstellte.

Da ich darüber nicht allzu glücklich war, habe ich dazu Stellung genommen. Und ohne Recherche, weil fest in der Annahme, habe ich Andreas Scholz als einen „strammen Linkspartei-Linken“ bezeichnet. Die Annahme war falsch und mein nächster Rufmord begangen. Also habe ich mich entschuldigt und nun auch öffentlich Gelegenheit klarzustellen, dass Herr Scholz nicht unter Verdacht steht, Ihren Kleinwagen verstaatlichen zu wollen. Denn im Rahmen unserer kleinen Korrespondenz warf Andreas Scholz eine recht interessante Frage auf.

Sie meinen, die Juden bräuchten Ihre Fürsorge?

Ich kann das sehr gut nachempfinden, dass Sie eine besondere Antenne für Antisemitismus entwickelt haben und pflegen. Ich will Ihnen als politisch erfahrenem Menschen da auch keinen Rat geben. Außer vielleicht einmal darüber nachzudenken, ob ihre Art der Stellvertreterpolitik für die Juden nicht vielleicht sogar ein bischen mehr von Bevormundung, denn von erwünschter und notwendiger Assistenz hat. Ist das nicht vielleicht sogar auch ein bisschen antisemitisch, wenn Sie meinen, die Juden bräuchten ihre Fürsorge?

Jurga ratlos; also schrieb ich:
Ganz schön clever – die an mich gerichtete Frage. Das Beste wird sein, ich frage mal einen jüdischen Freund.
Und schickte eine Kopie an Jo. Und der meinte dazu:

Was die eMail Deines Bekannten angeht, so muss ich schon sagen, dass ich mich wohl kaum von Dir bevormundet fuehle.
Von der Argumentation Deines Brieffreundes war ich beeindruckt - Du nimmst eine klar pro-israelische Stellung ein, was vielleicht ein bisschen antisemitisch ist, weil Du vielleicht meinst, dass die Juden Deine Fuersorge brauchen. Dementsprechend ist also die Linke etwas anti-palaestinenserisch (oder was immer fuer ein Word man dafuer erfinden kann), da sie ja die Sache der Palaestinenser so stark vertritt und meint, dass die Palaestinenser ihre Fuersorge brauchen.

Hiess so was nicht mal Dialektik?

Nein, so was hieß noch nie „Dialektik“; dennoch: ich fand Jo´s Hinweis einigermaßen „gewichtig“. Andreas Scholz empfand da anders:

Ich finde die Antwort ihres Freundes Jo naturgemäß etwas weniger gewichtig und auch nicht überzeugend. Aber immerhin ist es eine Meinung aus wohl etwas berufenerem Mund. Den Rekurs auf die Fürsorge für die Palästinenser finde ich fast schon wieder zwingend.
Die Frage, ob Sie meinen, dass Juden ihre Fürsorge brauchen, kann Ihnen Jo übrigens nicht beantworten.

Ach so, das stimmt ja auch wieder. Nein, ich meine nicht, dass Juden meine Fürsorge brauchen. Hoffentlich bleibt das so! Mein pro-israelisches Engagement erklärt sich auch nicht aus einem “Wunsch der Zugehörigkeit nach einem Opferkollektiv“ (schon gehört), nicht aus einem Wusch der Zugehörigkeit nach einem Gutmenschenkollektiv, nicht aus einem Wunsch nach Schuldverarbeitung. Und schon gar nicht aus einem Wunsch nach „jüdischem Geld“. Durfte ich mir auch schon anhören. Nein, nicht von Andreas Scholz.
Mein pro-israelisches Engagement erfolgt aus politischer Überzeugung. Das ist alles. Um in der gebotenen Kürze nur ein Beispiel zu nennen: die gemeinsamen Gegner, ja Feinde: die Dschihad-Islamisten und die Rechtextremisten aller Schattierungen.

Über Selbstverständlichkeiten braucht man nicht zu reden, ich weiß. Umständehalber mache ich eine Ausnahme.
Die Linken sind nicht meine politischen Gegner. Die Linkspartei zählt für mich zur demokratischen Konkurrenz. Das ist alles. Es gibt keinen Grund für irgendeine Feindseligkeit, zumal der NRW-Landesvorstand (ja, ich weiß, wie der tickt) unmissverständlich erklärt hat:

Ein Boykott gegen Israel ist keine Position der LINKEN

und soll es auch nicht werden. Ein Boykott muss in erster Linie der deutschen und internationalen Rüstungsindustrie gelten. Wir fordern einen sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen an beide Konfliktparteien und einen sofortigen Stopp des Krieges gegen die Menschen in Gaza. Das Existenzrecht Israels ist für uns ebenso unantastbar, wie das Existenzrecht der Palästinenserinnen und Palästinenser.

Ja, dann ist ja alles klar.

Werner Jurga, 04.03.2009

 

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