anständiger Realismus (kurz)

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Anständiger Realismus

  - die Kurzfassung -

zur Langfassung

In einem Kommentar der WAZ vom 26.09.2007 heißt es: „Mit Menschenrechten Politik zu machen, ist ein schwieriges und sensibles Geschäft.“

Schon dieser Satz an und für sich – einfach noch mal lesen und genießen ...

 

Da aus dem Kommentar an und für sich nicht hervorgeht, worauf Bezug genommen wird, sei dies hier kurz erklärt, obgleich dieses Thema eigentlich auf dieser Internet-Site nichts zu suchen hat. Bundeskanzlerin Merkel hat in Deutschland den Dalai Lama empfangen, worüber die chinesische Führung not amused war. Jetzt sagen die einen, man könne doch die Chinesen nicht vergraulen (Handelsmacht und so), während die anderen sagen, man solle sich bloß nicht von diesen Menschenschindern einschüchtern lassen, es gehe um die Freiheit Tibets, und überhaupt sei der Dalai Lama ein faszinierender Mann.

So ist das in einer Demokratie: die einen sagen so, die anderen so. Da muss die WAZ schon abwägen. Aber eine Sache ist sowohl den einen als auch den anderen völlig klar: wir sind die Guten, die anderen die Bösen. Daher sei es „verlockend ..., die Menschenrechts-Verletzer der Welt abzustrafen“, also z.B. „Peking, Moskau oder Washington“. Dann könne man „sich des Beifalls der Edlen sicher sein“.

Das wäre natürlich hoch anständig, geht aber leider nicht, ist nämlich nicht realistisch, leider, oder, wie es im WAZ-Kommentar heißt: man„beraubt sich aber seines Einflusses in der Welt“. Na, so blöd sind wir Deutsche nun auch wieder nicht. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen, sagt uns der Anstand; geht aber leider nicht, sagt uns der Realismus. Wie gesagt: die einen sagen so, die anderen so. Aber eine Sache ist allen auch völlig klar: wir stehen wieder mal ohnmächtig der Unanständigkeit in der Welt gegenüber.

Da ist es nur logisch, dass Fremde in diesem anständigen Land nicht auf Freundlichkeit hoffen können, und einfach nur mal so, weil sie Fremde sind oder auch nur so aussehen, totgemacht werden. Von einfachen, oder sagen wir: sehr einfachen Bürgern, die sich für hoch anständig halten, und sich deshalb am „Aufstand der Anständigen“ selbstredend nicht beteiligt hatten. Fairerweise ist hinzuzufügen, dass sie von Behörden nur in Ausnahmefällen ins Jenseits befördert werden – wenn sie auf der Wache Widerworte geben oder, statt sich abschieben zu lassen, einfach illegal hier bleiben wollen.

Wie gesagt: Ausnahmen im Land der Anständigen. Allerdings listet amnesty international auch Deutschland unter die Menschenrechts-Verletzer auf, komischerweise gar nicht mal auf den hinteren Plätzen. Dazu ist zu wissen, dass die Bundesregierung dagegen regelmäßig protestiert, wie übrigens auch Peking, Moskau oder Washington. Aber denen geht es ja nur um Macht. Uns dagegen geht es, wie wir lesen, um „den Einfluss in der Welt“, realpolitisch gesprochen. Und natürlich um den Anstand, „ein schwieriges und sensibles Geschäft“.

Da muss man schon mal, wie heute vor der UNO-Vollversammlung, auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat pochen (Stichwort: „Verantwortung übernehmen“), und dem Herrn Achmadinedschad klipp und klar sagen, dass der Iran zu beweisen habe, keine Atomwaffen anzustreben (hier: Anstand). Gleichzeitig aber hinter den Kulissen den Herren Bush und Sarkozy verdeutlichen, dass wir unseren Handelspartner Iran nicht deswegen mit Sanktionen zu vergraulen gedenken, nur weil er Israel von der Landkarte radieren möchte.

 

Frau Merkels „schwieriges und sensibles Geschäft“ - der Beifall aller, von links bis rechts ist ihr sicher. Okay, ganz rechts wird nicht mitgemacht: die NPD ist „solidarisch“ mit Herrn Achmadinedschads Plänen, Juden zu vernichten. Ganz links auch nicht: Herr Lafontaine ist einfach, um des lieben Friedens Willen und wegen gemeinsamer Grundsatzpostionen, für bessere Beziehungen zur islamischem Welt. Spinner halt, zu ungeduldig. Realismus heißt, auch mal warten können ...

 

Werner Jurga, 27.09.2007

  

 

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