Berthold Beitz
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Berthold Beitz
Foto: dpa

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Es ist Rosenmontag. Ausgerechnet heute ist mir nicht so nach lustig. Gewiss Zufall. Ich mache mir auch nicht so viel aus Karneval. Aber logisch: da bin ich liberal. Ich lasse die Jecken jecke sein. Wussten Sie eigentlich, dass die deutschen Juden in Israel „die Jeckes“ heißen? – Bestimmt auch Zufall. Berthold Beitz wird verständlicherweise nicht an Karneval gedacht haben, als er der Süddeutschen Zeitung erstmalig ein Interview gab über sein Wirken während der Nazizeit.
Einige von Ihnen haben – möglicherweise wegen des närrischen Treibens – den Artikel in der heutigen WAZ übersehen. So will ich wenigstens auf die Berichte in der SZ und in der WAZ-Gruppe aufmerksam machen. Berthold Beitz berichtet uns, dass viele sich so verhielten, als sei es

völlig normal, am helllichten Tag eine Jüdin zu erschießen, während ihr Kind neben ihr stand

Briefe der jüdischen Arbeiter an und über Berthold Beitz finden Sie hier, ein Beispiel:

Józef Hirsch

Jerusalem, für Jad Vaschem.

(...) Inzwischen kam im August 1942 eine Aktion gegen die Juden. Von dieser Aktion erfuhr der erste jüdische Angestellte (Józef Hirsch selbst, SZ). Herr Beitz sollte am Tage der Aktion zufällig verreist sein. Besorgt ging er mit dieser Nachricht zu Herrn Beitz und bat ihn, von der Reise Abstand zu nehmen. Herr Beitz verzichtete auf die Reise und blieb in der Stadt.
In der Nacht kam die große Aktion. Alte, Junge, Kinder, Männer und Frauen wurden in Waggons verladen, um sie zu vernichten. Beitz eilte zur Bahnstation und holte von den Waggons ca 1500 Männer und Frauen und besetzte mit denen die leeren Räume, welche als Arbeitslager für die Oelindustrie ad hoc gegründet wurden, somit rettete er 1500 jüdische Seelen. Er sorgte für die Juden im Lager mit Verpflegung und besonders gründete er ein spezielles Heim. Das Heim wurde genannt das ,Weisse Haus‘. In diesem Haus wohnten Familien mit Kindern. Es war bekannt, daß Herr Beitz freundliche Beziehungen mit der Gestapo hatte nur mit dem Zweck den Juden zu helfen. Wenn irgend ein Familienmitglied von der Gestapo geschnappt wurde, versuchte er immer, den frei zu bekommen.

Jerusalem, Juni 1972.

gezeichnet Józef Hirsch

Der heute 94-Jährige Beitz wurde bereits 1973 von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem mit dem höchsten Ehrentitel «Gerechter unter den Völkern» ausgezeichnet. Seitdem ist bekannt, dass er etwa 1500 Juden vor dem Abtransport in die Vernichtungslager der Nazis gerettet hat. Bei Wikipedia findet sich dazu:

Zwischen 1941 und 1944 bewahrte er viele Juden vor den Vernichtungslagern, indem er sie als unabkömmlich für die Produktion seines kriegswichtigen Unternehmens reklamierte. Bei der Übernahme der Erdölförderung durch die deutsche Betriebsleitung wurden die jüdischen Beschäftigten, die ein Fünftel der Belegschaft stellten, zunächst weiterbeschäftigt, obwohl die Weisung der Reichsregierung anderslautend war.
Wegen des Mangels an Fachleuten in der deutschen Mineralölwirtschaft wurde Beitz von der Wehrmacht die Unabkömmlichstellung zugebilligt.

Beitz hat 62 Jahre lang nicht über seine Rettungsaktion geredet, auch nicht in den letzten 35 Jahren, seitdem diese bekannt war. "Warum hätte ich über die Zeit in Polen reden sollen? Um mich selber zu belobigen?"
Die einzige, die eingeweiht war, auch schon während der Lebensgefahr, war seine Frau. Auch sie erhält noch in diesem Jahr den Titel „Gerechte unter den Völkern“ der Gedenkstätte Jad Vaschem.

So, nun aber genug des Trübsinns, es ist Karneval, Rosenmontag. Auch andernorts war heute auf den Straßen viel Jubel, Trubel, Heiterkeit. Zum Beispiel im Gazastreifen. Menschen fielen sich in die Arme, Blumen in den Händen, laute Freudengesänge. Endlich mal wieder ein Selbstmordattentat in Israel ! In der Negev-Wüste. Soll, so die Tagesschau, der Auftakt zu einer Serie von Anschlägen sein – auf Zivilisten, jüdische Frauen und Kinder. Völlig normal – ist ja ein Befreiungskampf.
Keine vier Wochen mehr, dann erkundige ich mich mal vor Ort. Nein, nicht im Gazastreifen. In der Negev-Wüste. In Israel. Logisch.

Werner Jurga, 04.02.2008

 

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