Genosse Steinbrück

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Der Steinbrück, ja guck mal einer an! Der Peer Steinbrück, mein Genosse Steinbrück; also – mal unter uns – von dem hätte ich es am wenigsten erwartet.
Fairerweise muss man sagen: er von sich selbst wohl auch nicht.

Generell muss man wohl sagen, dass gewisse Teile
der marxistischen Theorie doch nicht so verkehrt sind.

Das kleine Wörtchen „doch“ – ist ja ein Schlitzohr, der Peer – wird ihn wohl vor einem Parteiverfahren bewahren. Aber einmal in Fahrt geraten, kann er auch noch radikaler, der Genosse Steinbrück:

Ein maßloser Kapitalismus frisst sich am Ende selbst auf

Das muss man sich mal vorstellen! So etwas sagt der Peer, immerhin Bundesfinanzminister und stellvertretender SPD-Vorsitzender in einem „Spiegel“-Interview, das am letzten Montag, also dem 29.09.2008, erschienen ist. Der Spiegel 40 / 2008.
Und wieso wussten Sie nichts davon? Warum ging kein Aufschrei der Empörung durchs Land? Warum ist das im Grunde keine Meldung wert? Nun, einfach deshalb, weil gegenwärtig derlei Ansichten auch von Leuten der CDU und / oder des BDI unters Volk gebracht werden. Zum Beispiel gestern in der ARD-Sendung „Hart aber fair“, in der die Finanzkrise einmal in aller Ruhe besprochen wurde.

Zum Beispiel mit Norbert Röttgen, der nicht für das „Oder“ steht, sondern für das „Und“. Also: CDU und BDI. Sie erinnern sich: der wollte gleichzeitig für den BDI den Cheflobbyisten machen und für die CDU den parlamentarischen Geschäftsführer. Das gab natürlich Ärger; das ging selbstverständlich nicht. Denn es gibt nun einmal Regeln.
Und weil es für Herrn Röttgen Regeln gab (und gibt), hat er sich nachdrücklich und mit vollem Einsatz dafür stark gemacht, dass es auch Regeln für Andere geben muss. Gerade auch für die Investment-Banker. Was die sich frisch gemacht haben! Besonders schlimm: die Gier.
Unglaublich! Das fand auch der ehemalige BDI-Präsident Michael Rogowski. Leider kann ich Ihnen jetzt so spontan nicht sagen, ob der auch in der CDU ist. Dafür kann ich Ihnen sicher sagen, dass Heiner Geissler zwar in der CDU, nicht aber im BDI ist. Der ist sowieso etwas komisch geworden auf seine alten Tage. Das weiß ja jeder. Spricht ganz locker vom „Kapitalismus“ – genau wie der Peer Steinbrück, der übrigens in diesen Tagen „einen guten Job macht“, fand jedenfalls Norbert Röttgen.

Sie ist gewöhnungsbedürftig, die neue Sprachregelung. Genauso wie die Liebe von Industriellen, Banken und bürgerlichen Politikern zu Regulierung, Staatseingriffen und allem möglichen Kram, der noch vor Kurzem als „sozialistisches Teufelszeug“ allenfalls von Leuten der Linkspartei in Erwägung gezogen worden wäre.

Vize-Parteichef Klaus Ernst war da und sagte gar nicht so furchtbare Sachen. Er ist gegen die Riester-Rente, weil die ja auch vom Kapitalmarkt abhängt. Und dafür ist er nun einmal nicht: zu unsicher – sieht man ja jetzt. Deshalb dürfe der Staat da nicht auch noch Geld reinpumpen. „Rettungspaket“ – pah!
Es tut mir leid, mehr ist bei mir nicht hängen geblieben von den Ernsten Linken Wortbeiträgen. Die Banken sollen nichts kriegen, und die Riester-Rente soll weg! Beide Vorschläge sind gewiss populär, wenn auch verheerend, und insofern irgendwie links, weil Kapitalismus ohne Kapitalmarkt möglicherweise nicht so richtig funktionieren kann.
Doch auch der Linkspartei-Sozialist konnte nicht nur nicht, er wollte nicht einmal dem Eindruck entgegentreten, den die drei Herren von der CDU und / oder dem BDI pausenlos über den Äther brachten. Nämlich den:

Kapitalismus ist eine tolle Sache, wenn es klare Spielregeln gibt

Ein maßloser Kapitalismus frisst sich am Ende selbst auf, sagte Genosse Steinbrück mit Bezug auf Marx. Hingegen: ein maßvoller Kapitalismus frisst … ja, ich weiß auch nicht wen. Wahrscheinlich niemanden, und gewiss nicht mit Bezug auf Marx. Maßvoller Kapitalismus oder auch Rheinischer Kapitalismus heißt eigentlich Soziale Marktwirtschaft – mit Bezug auf Ludwig Erhard. Diese Geschichte durfte natürlich in der Sendung auch nicht fehlen.
Und auch sie sorgte stets für guten Applaus. Ich nehme an, Soziale Marktwirtschaft ist hart, aber fair. Maßvoller Kapitalismus frisst nichts und niemanden. Es wird gespeist, wahrscheinlich vegetarisch. Deshalb auch: ökologisch-soziale Marktwirtschaft. Die wurde nämlich auch empfohlen, und zwar weltweit.

Ja, so ist das in diesen Talkshows. Es geht alles so schnell. Ich komme da nicht mit. Hier ´ne Meinung, da ´ne Meinung, niemand hat Gelegenheit, die seine einmal ausführlich zu begründen. Kein Problem; denn bei „Hart aber fair“ gibt es immer einen Faktencheck. Allerdings: ich beabsichtige erst gar nicht, da irgendetwas zu checken.
Ich bin nämlich ideologisch festgelegt. Nicht Karl Marx, nicht Ludwig Erhard, sondern Monaco Franze, der da sprach:

Kapitalismus ist eine tolle Sache, wenn man Geld hat

Haben wir aber nicht. Und genau hier liegt das Problem. Und das nennt man dann Finanzkrise.

Werner Jurga, 02.10.2008

 

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