Inken Wiese zu Afghanistan

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

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Am 04.10.2008 hatte ich in der WAZ dieses Streitgespräch gelesen:

"Wir wollen nicht auf ewig in Afghanistan bleiben"

Ex-Verteidigungsstaatssekretär Willy Wimmer (CDU) fordert den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Der SPD-Linke Niels Annen widerspricht. Ein Streitgespräch vor der Bundestagsdebatte über das Auslandsmandat.

Verkehrte Welt: ein CDU-Militärexperte fordert den Truppenabzug, und ein SPD-Linker widerspricht. Niels Annen, dem ich doch in so vielen Fragen politisch so nahe stehe!

Niels Annen

Außerdem hatte ich Niels vor gut einem Jahr ganz anders verstanden – ich hatte ihn falsch verstanden.
Unter Bezug auf unsere diesbezügliche Korrespondenz im Sommer 2007 habe ich mich genauer nach seiner Position erkundigt.

Gestern hat mir seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Inken Wiese geantwortet. Die Islamwissenschaftlerin ist außerdem noch Geschäftsführerin des Willy-Brandt-Zentrums Jerusalem und der "SPD-Denkfabrik" sowie Mitglied der spw-Redaktion.

Werner Jurga, 23.10.2008

Lieber Werner,

vorab bitte ich aber um Verzeihung, dass meine Antwort etwas länger gedauert hat als seine beim letzten Mal, aber ISAF und OEF halten uns derzeit ganz schön auf Trab.

Du schreibst, dass auch Du nicht der "Überzeugung" seiest, "im Besitz einer glückselig machenden Wahrheit zu sein". Genauso betont auch Niels immer, dass er sich zwar bemüht, die vielfältigen und vielschichtigen Realitäten Afghanistans zu verstehen, aber dass selbst langjährige Experten der Region ihre Empfehlungen und Strategien immer wieder den lokalen Veränderungen anpassen müssen. Einfache Lösungen zu propagieren, wäre gleichbedeutend damit, den Versuchungen des Populismus nachzugeben. Wenn Niels also eine andere Meinung als der CDU-Abgeordnete Wimmer vertritt, so macht er sich das sicher nicht einfach. Mal abgesehen davon, dass Wimmer in seiner Fraktion eine absolute Außenseiter-Position vertritt.

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Inken Wiese

Du fragst, ob sich Niels' Standpunkt in den letzten 15 Monaten substantiell verändert hat. Nein, und die Kritik am US-amerikanischen Anti-Terror-Kampf unter dem OEF-Mandat hat er auch schon im vergangenen Jahr lautstark vertreten. Er ist daher froh, dass Außenminister Steinmeier der Forderung des SPD-Parteitages gefolgt ist, den Bundeswehreinsatz in Afghanistan unter OEF nun endlich zu beenden.
Die Position, dass der zivile Wiederaufbau in Afghanistan auf absehbare - wenn auch möglichst begrenzte - Zeit militärisch abgesichert werden muss, entspricht Niels' Überzeugung, die er mit zahlreichen zivilen Helfern in Afghanistan teilt. Leider werden in den hiesigen Medien mit Vorliebe diejenigen NGO-Stimmen zitiert, die einen sofortigen Abzug fordern. In welcher Form die militärische Absicherung erfolgt und vor allem welche Prominenz die von der Bundeswehr verfolgte zivil-militärische Zusammenarbeit genießen sollte, darüber lässt sich in der Tat streiten. Hier hat sich Niels im vergangenen Sommer auf einer zehntätigen Reise kundig gemacht.

Du weist außerdem mit Recht auf die Pakistan-Problematik hin. Hier ist sich Niels mit Außenminister Steinmeier einig, der sich schon unter der deutschen G8-Präsidentschaft dafür eingesetzt hat, Pakistan in eine regionale Lösung einzubinden. Niels betont zudem regelmäßig, dass eine solche Lösung auch die Interessen und Bedürfnisse des Irans und von Indien berücksichtigen muss. Es sind Aspekte wie diese, die SPD-Politiker gegenüber ihren US-amerikanischen Gesprächspartnern seit Monaten zur Sprache bringen, um die Sensibilität und Offenheit für nicht-militärische Lösungen zu steigern.

Mit freundlichen Grüßen,

Inken Wiese,
wiss. Mitarbeiterin

 

Niels Annen, Mitglied des Deutschen Bundestages
Mitglied im SPD-Parteivorstand

 

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