Korte sein Blickwinkel

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Jutta Ditfurth, Tochter des – wie sie sagt – „erzreaktionären“ Hoimar von Ditfurth, hat schon vor fünfzehn Jahren Schwarz-Grün kommen sehen. Und wissen Sie was ? – ich auch. Kongenialität ? – Nein, bereits vor fünfzehn Jahren, also 1993,  war Schwarz-Grün ganz dicke im Gespräch.
Da wurde die SPD natürlich unruhig. „Natürlich“? Ich jedenfalls hatte in Erwägung gezogen, kein Witz, der SPD zu schreiben. Und zwar so etwas wie: „Ganz cool bleiben!“ oder „Kann uns doch nur Recht sein“ – gut, dass ich es nicht gemacht habe ! Denn damit hätte man 1993 nun wirklich keinen Diskussionsprozess auslösen können, nicht einmal über die eigene Person. Man wäre einfach ohne Diskussion entweder unter „Spinner“ oder „Parteifeind“ abgeheftet worden.
Außerdem bezogen sich meine strategischen Erwägungen auf ein Vier-Parteien-System, so richtig zur Sache mit Schwarz-Grün geht es aber erst jetzt, fünfzehn Jahre später, in einem Fünf-Parteien-System. Denn die Zeiten haben sich gewandelt: aus der Alt-BRD ist das Neue Deutschland geworden; und die jungen Schnösel von Schwarzen und Grünen, die einst in Bonn tabubrechend die Pizza-Connection bildeten, sind jetzt gestandene Politiker. In Berlin haben sie ein standesgemäßes Restaurant entdeckt: „le cochon bourgeois“, das bürgerliche Schwein.
„Mein Blickwinkel“ heißt die WAZ-Kolumne, die uns die Welt aus Sicht der Professoren erklärt. Aus Sicht des Duisburger Politologen Karl-Rudolf Korte geht es um

Das soziale Gewissen der Bürgerlichen

So, jetzt aber mal schön aufgepasst, es wird jetzt nämlich schwer – schon der erste Satz:
Die Grünen sind in einer komfortablen Sandwich-Lage.
Wie bitte? Ein Sandwich passt nicht zum bürgerlichen Schwein? – Ich habe es ja gesagt: schön aufpassen ! – Nicht das Sandwich ist komfortabel, sondern seine Lage ! Fragen Sie jetzt bitte nicht, wo das Sandwich liegt, um dann zu kalauern: neben dem bürgerlichen Schwein – das ist billig. Etwas mehr Ernst, bitte ! Richtig: in der Sandwich-Lage befindet sich das Stück Fleisch zwischen den beiden Brotscheiben. Und da liegt man nicht eingeengt, sondern sehr wohl komfortabel, siehe hierzu: Sandwich-Kind. Denn:
Als potenzieller Mehrheitsbeschaffer machen sie damit der FDP den Rang einer Funktionspartei streitig
Die Grünen, verstehen Sie: die bestimmen jetzt, was gemacht wird, wie in der Alt-BRD die FDP. Da war nämlich egal, was bei einer Wahl herauskam; die FDP hat angesagt, wer regieren darf. Jedenfalls auf Bundesebene.
Das gilt nicht bundesweit ...
Och, schade ! Wieso eigentlich nicht ? – Erklärt uns Prof. Korte bestimmt nächstes Mal. Immerhin, in Hamburg haben die Grünen jetzt zu sagen, Stichworte: Elbvertiefung, Kohlekraftwerk. Tja, so ist das in der Sandwich-Lage: da wird man halt gefressen. Die hätten uns ja mal fragen können, die Fischköppe, uns Duisburger. Denen hätten wir was erzählen können von der Regattabahn und wo der Wald geblieben ist. Macht der Hamburger aber nicht, fragen; sagt lieber: „Wir in Hamburg machen das ja so ...“ Das werden die sich von den Duisburgern auch niemals ausreden lassen, dass sie die ersten waren – mit einer schwarz-grünen Koalition.
Aber Schluss mit dem Lokalkram, hier geht es um Wichtigeres. Weiter mit Korte:
Die Grünen sind vielfach das soziale Gewissen der Bürgerlichen.
„Vielfach“, gemeint ist wohl: oft. Soll heißen: manchmal auch nicht. Und wer ist das überhaupt, „die Bürgerlichen“? “? – Ja: Politische Wissenschaft, schwere Kost. Für mich zu schwer, ich komme da nicht mehr mit. Schon rein sprachlich:

Die Mischung aus Askese leuchtet

Doch diese immerwährende, den Zweifel pflegende, Mischung aus Askese und Wohlstand leuchtet auf dem Wählermarkt ...
Ideen hat der Mann ... aber Formulieren kann er brillant. Muss wohl irgendetwas mit Dialektik sein, jedenfalls eine tolle Sache, Schwarz-Grün.
Wenn zivilisatorische Standards gerade angesichts einer privaten und öffentlichen Verwahrlosung der Mitte leise aber stetig verloren gehen ...
„der Mitte“? So schlimm ist das schon ? Ob das „die Bürgerlichen“ sind, die „öffentliche Verwahrlosung der Mitte“ ? Keine Ahnung. Jedenfalls: Die parteipolitische Kombination ...
Jetzt denken Sie natürlich wieder von Schwarz und Grün, von A und B oder so. Reingefallen. Es folgen fünf wohlgesetzte Attribute, bestehend jeweils aus einem Adjektiv und einem Substantiv – aber auch wieder brillant formuliert:
Die parteipolitische Kombination von moralischem Ernst, bürgerlicher Solidität, gemeinwohlorientiertem Kaufmannsgeist, sozialstaatlichem Pragmatismus, moderner Autonomie ...

Einfach klasse: „bürgerlich solide“. Ich glaube, ich weiß sogar, was Korte unter „moderner Autonomie“ versteht (keine Sorge, Sie dürfen dann ruhig noch ins Krankenhaus, wenn der Blindarm juckt). Ach ja, was ist jetzt mit dieser „parteipolitischen Kombination“? Achtung: die
könnte vielleicht mal wieder politische Leidenschaften wecken

Ja Meister, ich bin auch schon ganz leidenschaftlich. Aber eine Frage noch: soll ich jetzt CDU oder Die Grünen wählen ? – Wir petzen es auch nicht dem Vorsitzenden. Sie haben das doch mitbekommen, wie der Kurt Beck rumgetobt hat. Klar, selbst wenn die Studiengebühren nicht während, sondern erst nach dem Studium erhoben werden: das macht der nicht, der Kurt Beck, der studiert nicht. – Vielleicht gar nicht mal so dumm.

Werner Jurga, 21.04.2008

 

P.S.: bislang hatte ich immer gedacht, Kortes Beiträge verdankten sich ausschließlich seiner geringen Sehschärfe. Jetzt weiß ich, es liegt auch in nicht zu unterschätzendem Ausmaß an seinem Blickwinkel. Die Welt vom bürgerlichen Schwein aus betrachtet.

Alle Zitate (blau und kursiv dargestellt) aus: K.-R. Korte: Mein Blickwinkel. Das soziale Gewissen der Bürgerlichen, in: WAZ vom 19.04.2008.

 

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