Krise? Welche Krise?

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Es scheint, als behielten die Herrschaften von der Stadtverwaltung und der DVV Recht – und ich Unrecht. Sie werden verstehen, dass ich das eigentlich nicht so gern habe; doch in diesem Fall – man muss auch gönnen können – würde ich sagen: gut so!

Die BaFin, also die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, hat nämlich bezüglich der Lehman-Pleite den Entschädigungsfall festgestellt. Das bedeutet, dass sich die städtische DVV Hoffnungen machen kann, dass die bei Lehman angelegten 30 Millionen Euro doch nicht weg sind. Dass ich mich (noch) so vorsichtig ausdrücke, lässt sich nicht damit erklären, dass ich ein schlechter Verlierer sei. Ich hätte ja nichts davon, wären die Millionen verballert.
Ich bin vielmehr deshalb etwas zurückhaltend, weil das Antragsverfahren bei der BaFin erst jetzt beginnt, und schwer abzusehen ist, wie viele Ansprüche angemeldet werden. Und wer weiß, was noch alles kommt?! – Der jüngst nach Duisburg gewechselte Auto-Experte Prof. Dudenhöffer macht darauf aufmerksam, dass die Auto-Zulieferer schon jetzt die Produktion herunter fahren. Und dass sie sich mitten in einer Kreditklemme befinden: In der Automobil-Zulieferindustrie drohen Stellenstreichungen und Firmenpleiten.
Die Krise ist in Deutschlands exponiertester Branche, der Automobilindustrie, angekommen.

Duisburger Autozulieferer

Sehr aufschlussreich ist ein Bericht, der heute in der RP Duisburg erschienen ist – allerdings nur in der Printausgabe, leider nicht online. RP-Redakteur Mike Michel sprach mit Willi Segerath, dem Betriebsratsvorsitzenden von TKS, Thyssen Krupp Steel. Selbstverständlich ist die Rohstahlproduktion in Hamborn betroffen; Stahl, das war mir klar. Was ich allerdings nicht wusste, war die enorme Anzahl von Betrieben in Duisburg, die mit Fertigkomponenten die Autowerke beliefern. Segerath erwähnte eine TKS-Fabrik in Hüttenheim, die Teile für ultraleichte Karosserien herstellt.
Mike Michel sprach auch mit Jürgen Dzudzek, Duisburgs IG-Metall-Chef. Nochmal: ich war erstaunt zu lesen, wie viele Zulieferbetriebe in Duisburg ansässig sind. Und wie viele Leute dort beschäftigt sind. Allein an den Arcelor-Mittal-Standorten in Hochfeld und Ruhrort verdienen 1000 Arbeitnehmer ihr Geld.
Es gibt keine Bank, sagt Dudenhöffer, die jetzt einem Autozulieferer Geld leiht.

Die Wirtschaftskrise hat Duisburg also erreicht; die Finanzkrise ist allerdings alles andere als ausgestanden. Bundesfinanzminister Steinbrück hält die Lage gegenwärtig für „gefährlicher als vor vier Wochen“, die Bank of England für so instabil "wie seit Menschengedenken nicht".
Ich erwähne dies nur, um mich nicht dem Verdacht auszusetzen, mit Kassandra-Rufen die Stimmung vermiesen zu wollen. Die Stimmung ist
schlecht, weil die Lage  ernst ist, aber auch – um es mit Adenauer zu sagen – nicht hoffnungslos. Der Kapitalismus wird auch einen etwaigen Kollaps überleben; quicklebendig, aber wohl deutlich verändert.
Wer bislang noch das Wort vom „Kasino-Kapitalismus“ für einen Kampfbegriff der Linken gehalten haben sollte, dem dürften – trotz offenkundig schwerer Belehrbarkeit - spätestens jetzt die Augen geöffnet worden sein. Das Affentheater um den VW-Aktienkurs hat die letzten Fragen erledigt. Der gute alte Volkswagen wird von einer Investmentbank, die nebenbei auch noch ein paar Sportflitzer herstellt, übernommen. Dass das Rasen mit dem Porsche zu einem Crash führen kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Zumal wir es hier nicht mehr direkt mit Duisburg zu tun haben. Zugegeben. Und er scheint ja Recht behalten zu haben, der Doktor Langner. Und dennoch ist die NRZ-Überschrift – vor gerade mal einem Monat – irgendwie amüsant:

Kämmerer: US-Finanzkrise trifft uns nicht

Werner Jurga, 29.10.2008

 

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