Krugmann über Steinbrück

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Paul Krugmann:
The economic consequences of Herr Steinbrueck
New York Times, 11.12.2008

Übersetzung: Werner Jurga

 

Die wirtschaftlichen Konsequenzen des Herrn Steinbrück

Es gibt ein außerordentliches - und außerordentlich bedrückendes - Interview in Newsweek mit Peer Steinbrück, dem deutschen Finanzminister. Die Weltwirtschaft befindet sich in einem schrecklichen Sturzflug, überall sichtbar. Aber Herr Steinbrück steht fest gegen jede außerordentliche steuerliche Maßnahme, und verurteilt Gordon Brown für seinen "krassen Keynesianismus."

Sie könnten fragen: warum sollten wir vorsichtig sein? Deutschlands Volkswirtschaft ist zwar die größte in Europa, aber das macht nur etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU, was wiederum nur etwa ein Viertel der Größe der US-Wirtschaft bedeutet. Wie weit interessiert also die deutsche Unnachgiebigkeit überhaupt?

 

Die Antwort ist, dass die Art der Krise, verbunden mit dem hohen Grad der europäischen wirtschaftlichen Integration, Deutschland im Moment eine besondere strategische Rolle gibt - und Herr Steinbrück daher ein bemerkenswertes Ausmaß an Schaden anrichtet.
Tatsache ist, dass wir hier  schnell in einem Teil der Welt angekommen sind, in der Geldpolitik wenig oder gar keine Traktion hat: die T-Bill-Sätze (kurzfristigen Zinsen, W. J.) sind in den USA bereits bei Null, und in der Nähe von Null werden sie in der Euro-Zone ziemlich schnell sein. So bleibt die Finanzpolitik. Aber in Europa ist eine expansive Finanzpolitik sehr schwer zu machen, wenn sie nicht EU-weit koordiniert wird.

Der Grund dafür ist, dass die europäische Wirtschaft so integriert ist: Europäische Länder verwenden im Durchschnitt rund ein Viertel ihres BIP für Importe aus anderen EU-Staaten. Da die Einfuhren tendenziell schneller steigen oder fallen als das BIP während eines Konjunkturzyklus, bedeutet dies wahrscheinlich, dass etwa 40 Prozent jeder Veränderung in der Endnachfrage eines Landes über die Grenzen hinweg in die EU schwappen. Dies hat zur Folge, dass der Multiplikator der Fiskalpolitik eines bestimmten europäischen Landes viel niedriger ist als dessen Multiplikator für eine koordinierte expansive Finanzpolitik. Und das wiederum bedeutet, dass zwischen staatlicher Kreditaufnahme und der Unterstützung der Wirtschaft ein Kompromiss gefunden werden muss - in einer Zeit, in der die Probleme für jedes einzelne europäischen Land wesentlich schwerer wiegen, als für Europa als Ganzes.

 

Es ist, kurz gesagt, ein klassisches Beispiel für eine Situation, in der die politische Koordinierung von entscheidender Bedeutung ist - aber Sie werden keine politische Koordination hinbekommen, wenn die Politiker in der größten europäischen Volkswirtschaft sie ablehnen.

Und wenn Deutschland eine wirksame europäische Antwort verhindert, dann hat dies erhebliche Folgen für die Schwere des globalen Abschwungs.

Kurz gesagt: es gibt einen riesigen Multiplikatoreffekt dieser Weigerung; leider multiplizieren sich die Auswirkungen der Dickköpfigkeit der gegenwärtigen deutschen Regierung.

 

Paul Krugman, 11.12.2008

 

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