Mauer am Watt

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Während der Karwoche verbrachte ich einige Tage in München, wie exklusiv berichtet. Die Ostertage hatte ich dagegen zu Hause verbracht, nicht zuletzt aus familiären Gründen. Doch es musste ja irgendwie weitergehen; schließlich stand noch eine Woche Schulferien an. Was tun?
Bangkok kam nicht in Frage; das Auswärtige Amt hatte eine Reisewarnung herausgegeben. Eine vorsichtige Reisewarnung zwar, aber man kann heutzutage ja nicht vorsichtig genug sein. Nicht in der heutigen Zeit! Also, was jetzt?
Nadja konnte ich nicht erreichen, das ganze Wochenende nicht! Bestimmt hat sie schon einen anderen Kerl. Nadja ist nämlich kein Engel, müssen Sie wissen.

Wie auch immer: Irgendetwas musste ja jetzt passieren! Gott sei Dank habe ich die Sache trotz aller Widrigkeiten noch so eben auf die Schnelle gemanagt gekriegt. Aus Thailand ist zwar nichts geworden. Aber Ostfriesland hat geklappt! Immerhin.
Wenn man allerdings erst so auf dem letzten Drücker bucht, muss man natürlich nehmen, was noch da ist. Da heißt es, auf Einschränkungen gefasst sein! Das hat in diesem Fall bedeutet: es sind wieder nur vier Sterne geworden. Ich wusste schon, was das bedeutet. Und Sie dürften es wohl auch wissen – spätestens seitdem ich Ihnen darüber berichtet hatte.

Der Ostfriese und die Mauer

Stehen vier Sterne bei einem Hotel eigentlich für den gleichen „Komfort“ wie vier Sterne bei einem Appartement? Ich hatte nämlich eine Ferienwohnung in einem Freizeitpark gebucht. Ein Freizeitpark mit vier Sternen, jawohl: das gibt´s!
Und da ist es wenig verwunderlich, dass derlei Billigurlaub – zumal in einem strukturschwachen Gebiet – sozial Benachteiligte aus allen deutschen Regionen anlockt. Schlichtwohnen wirkt da wie ein Magnet.
Vielleicht war es aber einfach auch nur die Mauer, die in überproportionalem Maß Urlauber aus den neuen Ländern an die Nordsee geführt hat. Also, etwas komisch fand ich es schon. Der war vielleicht hoch, der Deich! Eine meterhohe Deichmauer. Und blickt man dahinter - es ist kaum zu glauben -, ist überhaupt kein Wasser da. Kein Wasser, geschweige denn ein Meer, keine See, nichts dergleichen. Aber ein Deich! Vielleicht ist das der Grund dafür, dass in grauer Vorzeit diese Unart der Ostfriesenwitze aufgekommen ist.

Vielleicht war es aber auch nur die Randlage, die dieses puzzelige Völkchen dem Hohn und Spott der deutschen Überheblichkeit ausgesetzt hat. Also ein ganz ähnliches Phänomen wie bei den Oberbayern, die – möglicherweise wegen ihrer südöstlichen Randlage – allerorten die Lederhosen ausgezogen bekommen sollen. Schlimm so was!
Jedenfalls hatte ich die Osterferien dazu genutzt, unser Heimatland in Gänze zu durchqueren. Vom oberbayrischen Südosten bis zum ostfriesischen Nordwesten. 

Deutschland ist schön!

Schön groß vor allem. Natürlich: durchquert man unser Land auf die angegebene diagonale Art und Weise, bleibt so einiges links bzw. rechts liegen. Hier jedoch macht sich die bereits angesprochene ostfriesische Magnetfunktion bezahlt, wodurch das landeskundliche Erlebnis komplettiert wird.
Denn, wie ebenfalls bereits erwähnt, fanden vor allen Dingen unsere Menschen aus den jungen Bundesländern ihren Weg an den Jadebusen. Mir liegen keine genauen Zahlen vor; aber die sächsische Mundart höre ich sofort raus. Wie viele unserer Menschen aus der nicht-sächsischen Zone anwesend waren, kann ich Ihnen leider nicht ganz genau sagen: die sind getarnt!
In jedem Fall: die überwältigende Mehrheit der Gäste in diesem Vier-Sterne-Freizeitpark kam aus den neuen Bundesländern. Beim Frühstücksbüffet – dieses unaufgeregte, weil routinierte Schlange Stehen in Kombination mit dem für die ostdeutsche Frau und Mutter typischen Selbstbewusstsein. Keine Frage: die DDR war eine Diktatur. Sie zwang die Frauen, sogar die Mütter, arbeiten zu gehen.
Im Ergebnis führte dies freilich zu einem Grad an Emanzipation, der es der allseitig – sozialistisch wie feministisch – entwickelten Persönlichkeit ermöglicht, allein mit einem kurzen Blick zu sagen: „Wir mussten 40 Jahre lang warten; jetzt seid Ihr dran!“

Ich berichte dies nur, liebe Solidarzuschlagszahler, um Ihnen klar zu machen, dass Ihr Beitrag zur inneren Einheit auch wirklich ankommt. Ich versichere Ihnen, das Geld wird konsumtiv und damit beschäftigungsintensiv verwendet. Und das ist eben das Wunder an den Transferleistungen Ost: letztlich landen sie wieder im Westen. Und, wie es die unsichtbare Hand des Marktes so will, genau dort, wo sie am meisten gebraucht werden: in den besonders strukturschwachen Gebieten. Wie in diesem Fall zum Beispiel in Ostfriesland.
Womit sich populistische Forderungen nach einem Solidarpakt West als das erweisen, was sie sind: ökonomisch kenntnisarm und unsinnig.

Werner Jurga, 18.04.2009

 

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