Merkels Rede vor der Knesset

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Wir stehen auf der Seite Israels und trotzdem, oder besser: gerade deshalb auf der Seite des Nahost-Friedensprozesses.
Bundeskanzlerin Angela Merkel
(im Interview mit n-tv nach ihrer historischen Rede vor der Knesset am 18.03.2008)

Die Rede im Wortlaut

Israel und Deutschland vereinbarten regelmäßige Konsultationen ihrer Regierungen. Am Montag, den 18.03.2008, tagten die beiden Kabinette gemeinsam.
Die Rede vor dem israelischen Parlament (Knesset) war der Höhepunkt von Angela Merkels Reise in Israel. Dafür hat Israel die Geschäftsordnung der Knesset geändert: sie ist die erste ausländische Regierungschefin, die vor der Knesset sprechen durfte – und das auf Deutsch.
Die Bundeskanzlerin erhielt für diese Rede stehende Ovationen. Die unten stehenden Auszüge sind von mir ausgewählt worden.

Werner Jurga, 18.03.2008

Angela Merkels Rede vor der Knesset
 

Meine Damen und Herren,

ich bin zutiefst davon überzeugt: Nur wenn Deutschland sich zu seiner immerwährenden Verantwortung für die moralische Katastrophe in der deutschen Geschichte bekennt, können wir die Zukunft menschlich gestalten. Oder anders gesagt: Menschlichkeit erwächst aus der Verantwortung für die Vergangenheit.

Wir sagen oft: Deutschland und Israel verbinden besondere, einzigartige Beziehungen. Was aber ist genau damit gemeint – einzigartige Beziehungen? Ist sich gerade mein Land dieser Worte bewusst – und zwar nicht nur in Reden und Festveranstaltungen, sondern dann, wenn es darauf ankommt?

Wie gehen wir zum Beispiel ganz konkret damit um, wenn die Gräueltaten des Nationalsozialismus relativiert werden? Hierauf kann es nur eine Antwort geben: Jedem Versuch dazu muss im Ansatz entgegen getreten werden. Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen in Deutschland und in Europa nie wieder Fuß fassen.

Und zwar weil alles Andere uns insgesamt - die deutsche Gesellschaft, das europäische Gemeinwesen, die demokratische Grundordnung unserer Länder - gefährden würde.

Oder wie gehen wir damit um, wenn in Umfragen eine deutliche Mehrheit der Befragten in Europa sagt, die größere Bedrohung für die Welt gehe von Israel aus und nicht etwa vom Iran? Schrecken wir Politiker in Europa dann aus Furcht vor dieser öffentlichen Meinung davor zurück, den Iran mit weiteren und schärferen Sanktionen zum Stopp seines Nuklearprogramms zu bewegen?

Nein, wie unbequem es auch sein mag, genau das dürfen wir nicht. Denn täten wir das, dann hätten wir weder unsere historische Verantwortung verstanden noch ein Bewusstsein für die Herausforderungen unserer Zeit entwickelt. Beides wäre fatal.

 

Meine Damen und Herren,

über all diese und weitere Zukunftsprojekte und Vorhaben haben wir gestern beraten. Aber all diese Projekte spielen sich nicht im luftleeren Raum ab. Denn während wir beraten haben, ist Israel bedroht. Während wir hier sprechen, leben Tausende von Menschen in Angst und Schrecken vor Raketenangriffen und Terror der Hamas.

Ich sage klar und unmissverständlich: Die Kassam-Angriffe der Hamas müssen aufhören. Terrorangriffe sind ein Verbrechen, und sie bringen keine Lösung in dem Konflikt, der die Region und das tägliche Leben der Menschen in Israel und das Leben der Menschen in den palästinensischen Autonomiegebieten überschattet.

Ich habe wiederholt zum Ausdruck gebracht und sage es auch hier: Deutschland tritt entschieden für die Vision von zwei Staaten in sicheren Grenzen und in Frieden ein, für das jüdische Volk in Israel und das palästinensische in Palästina.

Nachdrücklich unterstützen wir deshalb in der Folge der Annapolis-Konferenz alle Bemühungen, insbesondere auch die der amerikanischen Regierung, die dazu beitragen, diese Vision in die Tat umzusetzen. Die helfen, dass Frieden in der Region hergestellt werden kann.

 

Meine Damen und Herren,

besonderen Anlass zur Sorge geben ohne Zweifel die Drohungen, die der iranische Präsident gegen Israel und das jüdische Volk richtet.

Seine wiederholten Schmähungen und das iranische Nuklearprogramm sind eine Gefahr für Frieden und Sicherheit. Wenn der Iran in den Besitz der Atombombe käme, dann hätte das verheerende Folgen. Zuerst und vor allem für die Sicherheit und Existenz Israels, dann für die gesamte Region und schließlich – weit darüber hinaus – für alle in Europa und der Welt, denen die Werte Freiheit, Demokratie und Menschenwürde etwas bedeuten. Das muss verhindert werden.

Dabei muss eines klar sein, ich habe es bereits vor den Vereinten Nationen im vergangenen September gesagt und ich wiederhole es heute: Nicht die Welt muss Iran beweisen, dass der Iran die Atombombe baut. Iran muss die Welt überzeugen, dass er die Atombombe nicht will.

Gerade an dieser Stelle sage ich ausdrücklich: Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet.

Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.

In diesem Geist feiern wir das heutige Jubiläum. In diesem Geist wird Deutschland Israel nie allein lassen, sondern treuer Partner und Freund sein.
Herzlichen Glückwunsch zu 60 Jahre Staat Israel! Shalom!

 

Die Rede im Wortlaut

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