Netto plus Tara gleich Brutto

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Na, wie sagt man denn jetzt? Heißt es der Virus oder heißt es das Virus? Man traut sich ja gar nicht mehr, einfach einmal eine Diskussion über die sog. Schweinegrippe anzufangen, weil da am Virus einfach kein Vorbeikommen ist. Ich helfe mir da jetzt schon eine ganze Weile mit dem Trick, dass ich konsequent nur den Plural verwende: „Die Viren – also ich glaube schon, dass die noch irgendwann einmal wirklich Probleme bereiten können. Mit denen ist wirklich nicht zu spaßen, mit diesen Viren!“

Diese tiefgreifende Erkenntnis im richtigen Sound vorgetragen - kann eigentlich nichts schief gehen. „Nein, es müssen ja nicht die Schweinegrippeviren sein …“ – besser: „es müssen ja nicht die H1N1-Viren sein; aber, aber …“
Die Wahrscheinlichkeit, dass irgend so ein Neider reinpfuscht mit der sachfremden Bemerkung, dass auf der Südhalbkugel der Winter gerade zu Ende gehe, ohne dass die Zahl der üblichen Influenza-Toten signifikant zugenommen habe, ist erstens gering, und zweitens bereits ad absurdum geführt. „Nein, es müssen ja nicht die Schweinegrippe sein …“
Wichtig ist natürlich, dass Sie anstatt von Grippe auch mal die Influenza bemühen, oder dass Sie das Adverb „signifikant“ benutzen können. Wenn Sie sich das nicht merken können, sagen Sie einfach „tendenziell“. Das bedeutet zwar etwas Anderes; es merkt aber niemand. Und dass Sie keinen blassen Schimmer vom Genus des Substantivs „Virus“ haben, fällt ohnehin keinem mehr auf, nachdem Sie sich als nachdenklicher Bedenkenträger präsentiert haben. Da können die Leute noch so frustriert sein, dass sie den Genus nicht einmal aus Ihren bedeutenden Einlassungen heraushören konnten. Glauben Sie mir: die merken das nicht.
Ja, mit dem Virus kann man das locker machen. Aber das läuft natürlich nicht immer so glatt. Tara zum Beispiel ist so ein Wort, wo Sie nicht so ohne weiteres auf den Plural ausweichen können. Die Taras. Ich bitte Sie. So redet doch kein Mensch. Gut, man könnte jetzt, wie beim Virus gezeigt, auf den Genitiv oder Dativ ausweichen, also: „des Taras“ bzw. „dem Tara“. Dafür müssten Sie jedoch sicher sein, dass Tara entweder maskulin oder neutrum ist. Hieße es aber die Tara, stünden Sie ziemlich gelackmeiert da.

Das Dumme an der Sache: sie ist tatsächlich weiblich, die Tara. Forderten Sie also z.B. eine Senkung des Taras, würde zwar auch kein Mensch etwas einwenden. Aber Achtung: so etwas merken sich die Leute! Oder schreiben es sich auf! Dann gucken die zu Hause nach, und für Sie ist Schicht im Schacht. Tara, Tara …
Wie Sie sich schon gedacht haben, geht es hier weder um eine Ladentheke in der Apotheke noch eine hinduistische und buddhistische Göttin, sondern um die Differenz zwischen brutto und netto. Sie wissen ja:
 

netto plus Tara gleich brutto

Und endlich ist es so weit! Endlich bekommen alle mehr netto. Ganz schön netto, nicht wahr. Was freilich die Frage aufwirft: wie machen die das eigentlich? Vor Jahren gab darauf ein Werbespot einmal die Antwort: die machen das einfach. Aber so einfach wollen wir uns hier nicht abspeisen lassen. Wir gehen der Sache nämlich auf den Grund. Analytisch, versteht sich.
Nehmen wir an, brutto täte sich nicht allzu viel. Dann hieße dies: je mehr netto, desto weniger Tara. Denn, wenn ich an die Definition erinnern darf, Tara ist die Differenz zwischen brutto und netto. Woraus besteht sie aber, die Differenz, sorry: die Tara? Klar: aus der Summe aus Einkommenssteuern und Sozial-versicherungsbeiträgen. Okay: die Steuern werden gesenkt. Wie machen die das eigentlich? Antwort: die machen das einfach. Was die aber einfach auch mal so machen: die erhöhen die Sozialbeiträge, nämlich zum Beispiel den Kranken-kassenbeitrag. Dann führen sie noch eine Kopfpauschale ein und eine private Pflege-Pflichtversicherung. Tara, Tara – haben sie mitgedacht? Sie kann also gar nicht sinken, die Tara.

Trotzdem haben wir deutlich mehr netto. Wie kann das bloß sein? Die ganze Sache erscheint zunächst recht kompliziert. Kennt man aber die Lösung, kommt sie einem jedoch nur allzu einfach vor. Es ist nämlich so: wenn es bei gleichem Brutto immer mehr Netto gibt, dann haben wir – bei ebenfalls gleicher oder gar steigender Tara – einen kräftigen Abbau bei Plus. Mathematisch formuliert: Plus geht gegen Null.
So weit die Theorie. Und wie sieht die ganze Sache in der Praxis aus? Na, gucken Sie mal vor die Tür! Oder um die Ecke. Wahrscheinlich heißt Ihr Plus auch schon Netto. So macht man das! Schluss mit Plus, Schluss mit den kleinen Preisen. Ab jetzt gibt es Netto. Endlich mehr Netto für alle.

Werner Jurga, 31.10.2009

 

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