Nochmal Tibet

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Nochmal Tibet ? Warum ? – Nun, mir liegt ein Einwand vor, und zwar zu meinem Text „Free Tibet ? – Lieber nicht !“, den ich auszugsweise auch bei der westen.de eingestellt habe.  Er lautet:

Aber für einen friedlichen Dialog zwischen China und dem Dalai-Lama darf doch protestiert werden...?! Mehr auf http://www.avaaz.org/de/tibet_end_the_violence/76.php/?cl=67700402

Last mit der Meinungsfreiheit ?

Ganz schön clever. Erstens wird mir implizit, also so ganz nebenbei unterstellt, dass ich darüber zu befinden gedenke, wogegen, pardon: wofür  protestiert werden darf und wogegen nicht. Und für einen „Dialog zwischen China und dem Dalai-Lama“ darf man bspw. in China (inkl. Tibet) nicht, wodurch ich mich – zumindest assoziativ – in die Nähe der chinesischen Regierung gerückt sehe. Zweitens hat der Kritiker den Link zu einer Pro-Tibet-Petition auf „meine“ Seite bei derwesten.de gesetzt – möglicherweise sogar in der Annahme, dass ich mich darüber ärgere. Und drittens ..., nee, das war´ s eigentlich schon. Zum besseren Verständnis: das da oben war der ganze, der komplette „Kommentar“ zu meinem Text. Kein Gegenargument, nichts dergleichen. Nur die Andeutung, dass ich wohl Last mit der Meinungsfreiheit haben könnte – nur weil ich es gewagt habe, der Kampagne, der der Arme auf allen Kanälen, in allen Zeitungen und auf allen Webseiten hilflos ausgesetzt ist, einige politische Worte entgegenzusetzen. Die einzig zulässige Kritik, nämlich: „unsere armen gedopten Hochleistungsmuskelprotze sollen um ihren verdienten Lohn gebracht werden“, wäre vielleicht noch gegangen. Aber so was, tst,, tst, tst – Gegenfrage,  werter Kritiker: Haben Sie Last mit der Meinungsfreiheit ?

Die Petition, die ich jetzt auch auf diese Seite verlinkt habe, werde ich übrigens nicht unterschreiben, obwohl ich an ihrer Überschrift „Tibet - Unterstützen Sie den Dalai Lama!“ nichts auszusetzen habe. Mit meinem Text „Free Tibet ? – Lieber nicht !“ habe ich ja bereits den Dalai Lama unterstützt. Okay, bedauerlicherweise wird meine Seite nicht von so vielen Menschen gelesen wie z. B. avaatz.org, die allerdings m.E. mit ihrer Kampagne dem Dalai Lama, und vor allem den Menschen in Tibet mehr schaden als nützen. Nichts gegen die Leute von avaatz.org, deren Anliegen ich in aller Regel nur unterstützen kann, aber – tja, was soll ich sagen: die haben halt meinen Text nicht gelesen ...

Last mit der Minderheit ?

Ich aber ihren, der fängt so an: „Nach Jahrzehnten chinesischer Repression hat sich die Frustration der Tibetischen Menschen in Straßenprotesten und gewaltsamen Unruhen entladen.“ Womit immerhin die Textpassage bestätigt wäre, dass – so ist das bei einem Aufstand – die Gewalt von den Oppositionellen ausging, nur: da hat sich keine „Frustration entladen“, das war schon alles wohl organisiert. Und zwar von den im Lande befindlichen Separatisten, die nichts mit dem Dalai Lama am Hut haben, und die in Lhasa den Pöbel angestachelt hatten, seine „Frustration zu entladen“. Anführzeichen nur wegen des Zitats, inhaltlich schon richtig: der Mob hat seinen Frust abgelassen. Gegen zugesiedelte Chinesen. Ich bin sicher, dass es den Leuten von avaatz.org eigentlich nicht so gefällt, wenn die Bevölkerungsmehrheit gegen eine Minderheit von nicht einmal zehn Prozent vorgeht. Um es deutlicher als im ersten Text zu sagen: so etwas nennt man nicht Aufstand, sondern Pogrom.

Der zitierte Einwand plädiert für einen friedlichen Dialog, ulkiger Begriff. Ein Dialog ist friedlich oder gar nicht. Der chinesische Folterknecht, der – vielleicht während Sie diesen Text lesen – einen tibetischen Mönch fragt: „Wer war noch dabei?“, worauf der Mönch – ahnend, dass schon wieder diese Antwort schon wieder zu Elektroschocks führt – sagt: „Das waren alle!“ führt keinen Dialog im engeren Sinne.
Selbstverständlich steht den Tibetern das Recht zum Widerstand zu, genau wie uns Deutschen auch – nach GG Art. 20 Abs. 4, „wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“. Wobei sich in Tibet die Frage stellt, ob ein gewaltsamer Aufruhr den Tibetern wirklich hilft. Der Dalai Lama meint: nein. Und noch mal: Widerstand richtet sich gegen Unterdrücker; für Gewalt gegen Unschuldige hält die deutsche Sprache andere Begriffe bereit. Und selbst Widerstand gegen Unterdrücker: die Logik der Gewalt würde alles so schwer unterscheidbar machen: Aufstand, Revolution, Bürgerkrieg, Separationskrieg. Das einzige, was wir Fernsehzuschauer recht deutlich sehen könnten, wären Massaker an Zivilisten.

Zurück zum Thema

Vielleicht erinnern Sie sich: meine Ablehnung eines „freien“ Tibet war keinerlei pazifistischen Neigungen meinerseits geschuldet. Ich hatte mir nur erlaubt darauf hinzuweisen, dass ein unabhängiges Tibet für mich schon theoretisch undenkbar ist. Das dann ebenfalls „freie“ Xinjiang würde in diesem Fall Tibet unverzüglich schlucken. Letzte Woche hat die chinesische Polizei islamistische Terroristen aus Xinjiang verhaftet, die für die Olympischen Spiele die Entführung westlicher Besucher und Bombenanschläge vorbereitet hatten. Im Jahr 2007 gab es mehr als 200 politische Verhaftungen in Xinjiang; aus Tibet lagen keine entsprechenden Meldungen vor.
Ein Dialog Chinas mit dem Dalai Lama – keine Ahnung, was der bringen könnte. China bezeichnet Tibet ja schon jetzt als „Autonome Region“. Einige buddhistische Tempel mehr? Denken Sie bitte daran: auch Chinesen werden „von China“, wie es jetzt so heißt, unterdrückt. Die chinesische Regierung ist gnadenlos. Dennoch: ein paar Tempel mehr könnten drin sitzen. Eine von El Kaida in Xinjiang an die Macht gebombte Taliban-Regierung bräuchte der Dalai Lama gar nicht erst zu fragen. Die sprengt bekanntlich sogar Buddha-Statuen in die Luft.

Werner Jurga, 13.04.2008

 

[Jurga] [Home] [März 2010] [Marxloh stellt sich quer] [Februar 2010] [Januar 2010] [2009] [2008] [60 Jahre Israel] [Dezember 2008] [November 2008] [Okt. 2008] [Sept. 2008] [August 2008] [Juli 2008] [Juni 2008] [Mai 2008] [April 2008] [März 2008] [Februar 2008] [Januar 2008] [2007] [Kontakt]