OB Sauerland kämpft

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Tausendmal gelesen, hundertmal gehört:

“Der Wähler ist nicht so dumm, wie die Politiker meinen.“

Hunderttausendmal lehnt man sich entspannt oder auch freudig erregt zurück und sagt sich: „Endlich sagt es mal einer!“ Denn wir Wähler sind nicht so dumm, wie die Politiker meinen. Gut, dass das endlich mal gesagt oder geschrieben wurde. Das wurde aber auch Zeit! 

Voller Bauch studiert nicht gern, und so ein rundum wohliges Gefühl regt auch nicht gerade zum Denken an. Und so vergisst man nur allzu leicht, was da eigentlich gesagt bzw. geschrieben wird. Da wird es aber Zeit, dass wir endlich mal etwas genauer hinhören bzw. – wie in diesem Fall - hinsehen.
Was haben wir denn da? Klar: die Politiker – die sind sowieso alle gleich. Logisch. Und deshalb sind sie auch alle einer Meinung, zumindest in diesem Punkt. Und der Punkt ist nun einmal der Wähler. Davon gibt es zwar eigentlich auch mehrere, die jedoch – zumindest in diesem einen Punkt – auch alle gleich sind. Nämlich in Sachen Dummheit.

Der Wähler ist nicht so dumm, heißt es, womit immerhin impliziert ist, dass er auf jeden Fall ein bisschen dumm ist. Nur eben nicht so dumm, wie die Politiker meinen. Nun müssten wir nur noch wissen, für wie dumm die Politiker den Wähler halten, und schon hätten wir einen ersten Anhaltspunkt bezüglich unserer eigenen Cleverness.
Haben wir aber nicht, ich meine natürlich: den Anhaltspunkt. Da fällt mir ein, dass mir neulich ein Politiker mitgeteilt hat: „Wir sind nämlich auch nicht blöd!“ Das kann sein, kann auch nicht sein, hilft aber auf jeden Fall nicht weiter bei der Frage, wie dumm wir nun eigentlich sind. Glaube ich jedenfalls. Möglich ist freilich auch, dass ich hier an einer Stelle angekommen bin, wo ich einfach zu dumm bin. Nicht so dumm, wie die Politiker meinen, aber dumm genug, um … - sorry: jetzt habe ich den Faden verloren. Zu dumm.

  Zum Beispiel die Arbeitslosenstatistik

Manche Dinge - das gebe ich ganz offen zu – sind aber auch nicht ganz so einfach zu verstehen. Zum Beispiel die Arbeitslosenstatistik. Zum Beispiel verstehe ich bis heute noch nicht, wieso da nicht einfach sämtliche Arbeitslose aufgeführt werden. Versuchen Sie erst gar nicht, es mir zu erklären! Zwecklos, ich komme da nicht hinter. Egal, da werden die sich bestimmt etwas bei gedacht haben. Die Politiker. Dafür bin ich eben zu dumm. Das macht aber auch nichts; denn dafür wählen wir die ja, damit die sich darum kümmern.
Auf der anderen Seite – und da bin ich richtig stolz drauf – bin ich wiederum nicht so dumm, wie die Politiker meinen. Ich habe nämlich ein Detail aus der Arbeitslosenstatistik, von dem die letzten Tage ständig die Rede war, verstanden. Nicht sofort, dann eben noch mal gelesen, Freunde gefragt, und jetzt habe ich es. Glaube ich jedenfalls; ich versuche jetzt einmal, es Ihnen zu erklären.

Nun, äh, also: Duisburg ist eine Stadt. Klar. Gelsenkirchen auch. Auch klar. Duisburg ist auch ein Arbeitsamtsbezirk. Mist: Agenturbezirk, muss es heißen. Also noch mal:
Duisburg ist eine Stadt und ein Arbeitsagenturbezirk. Klar? So, jetzt pass auf: Gelsenkirchen ist eine Stadt, aber kein Arbeitsagenturbezirk. Mist, schon wieder falsch. Noch mal neu: Gelsenkirchen ist eine Stadt und auch ein Arbeitsagenturbezirk. „Na und“, werden Sie fragen, „das ist ja wie in Duisburg.“ – Eben nicht. Ätsch! Das war jetzt aber falsch.
In Duisburg sind nämlich die Stadt und der Arbeitsagenturbezirk - wie soll ich mich ausdrücken? - sagen wir mal: dasselbe. Ja, nicht lachen! Jetzt kommt es ja. In Gelsenkirchen … nämlich nicht. Ich muss anders anfangen, so: zum Arbeitsagenturbezirk gehören neben Gelsenkirchen auch noch Bottrop und Gladbeck. Verstanden? Wie bitte? „Na und“, sagen Sie. Also ehrlich, Sie kapieren aber auch gar nichts. Sie sind wirklich so dumm, wie die Politiker meinen!

Ich weiß nicht, ob es überhaupt Sinn macht. Jetzt wird es nämlich wirklich schwierig. Viele Zahlen und so. Nur: wenn Sie unbedingt wissen wollen, warum diese Sache ständig in der Zeitung steht, kommen Sie natürlich nicht drumherum.
Also Achtung: Duisburg hat eine Arbeitslosenquote von 13,2 %. Sie wissen ja: Duisburg ist sowohl Stadt als auch Arbeitsagenturbezirk. Also 13,2 %. So, und jetzt Gelsenkirchen, und schon haben wir den Salat. Da muss ich Sie jetzt aber fragen: meinen Sie die Stadt oder den Arbeitsagenturbezirk?
Ja nix: „Egal!“ – Egal ist 88. Da muss man nämlich fein unterscheiden. Politik und so, wissen Sie Bescheid: differenzierter sehen. Ganz wichtig. Duisburg also, sozusagen als unsere Benchmark (merken, heißt soviel wie „Messlatte“, die Prozentzahl merken!), noch mal: Duisburg hat 13,2 %. Gelsenkirchen dagegen sehen wir uns ganz differenziert an: die Stadt hat 15,2 % - normal. Der Arbeitsagenturbezirk Gelsenkirchen misst – und jetzt kommt´s – nur popelige 13,1 %. Klar, wegen Bottrop und Gladbeck; trotzdem: unter der Benchmark!
Und jetzt raten Sie mal, welche Zahl die Agentur-Chefin Angela Schoofs auf ihrer monatlichen Pressekonferenz herangezogen hat? – Kleiner Tipp: Frau Schoofs ist Leiterin des Duisburger Arbeitsagenturbezirks. Richtig: Angela Schoofs hat nicht die Städte miteinander verglichen (das wäre auch ein bisschen viel geworden), sondern die Arbeitsagenturbezirke.

So eine Scheiße: „Duisburg hat die rote Laterne“

Und schon stand in der Zeitung: „Duisburg hat die rote Laterne“. Ja, da wurde OB Adolf Sauerland aber richtig sauer! "Es ist eine Unverschämtheit zu behaupten, Duisburg habe die Rote Laterne bei den Arbeitslosenzahlen, das ist nicht soâ€, gab unser Stadtoberhaupt zu Protokoll. Und deshalb solle sich Frau Schoofs entschuldigen. Und zwar „in aller Öffentlichkeit“, fordert der OB. Nächste Forderung, vielleicht nicht in aller, aber doch in reichlicher Öffentlichkeit: Schoofs solle diese Scheiße unterlassen.
So hat er das gesagt, der OB Adolf Sauerland; so stand es in der Zeitung, und so wurde es auch keineswegs dementiert. Also noch mal, Frau Schoofs, zum Mitschreiben: Entschuldigen (keine Ahnung bei wem) und mit der Scheiße aufhören! 

Es ist wohl wegen der Benchmark und wegen des Kommunalwahlkampfes. Der Wähler ist zwar nicht so dumm, wie die Politiker meinen; aber doch dumm genug, um zu glauben, dass vor allem ein OB die Arbeitsplätze oder die Arbeitslosenquote in einer Stadt macht. Und weil die Politiker auch nicht blöd sind, finden sie es Scheiße, wenn Zahlen auftauchen, die die Benchmark reißen. Dran glauben muss immer der, der die schlechte Nachricht verkündet. Zumal, wie in diesem Fall ohne weiteres ersichtlich, die Agentur-Chefin durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, die ganze Scheiße als Götterspeise zu verkaufen.
Frau Schoofs hat außerdem noch behauptet, in Duisburg sei die Krise inzwischen “voll angekommen“. OB Sauerland sollte hoffen, dass diese Aussage nun aber wirklich Scheiße ist. Denn 25000 (in Worten: fünfundzwanzigtausend) Duisburger stecken nämlich in der Kurzarbeit. Und wenn das mit der Krise jetzt erst richtig losgeht …

Ach so, die OB-Wahl ist schon in acht Wochen. Ja, Du liebe Güte! Was regt der Mann sich eigentlich so auf?!

Werner Jurga, 05.07.2009

 

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