Prolog: Staatsverschuldung

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

In diesen Tagen ist viel die Rede von der Finanzpolitik.

Wie bitte? – Haben Sie gar nicht mitbekommen? – Ist aber so. Doch, doch ...
... das Bundeskabinett hat letzten Mittwoch die Vorlage für den Haushalt beschlossen, und alle Zeitungen, Zeitschriften und einschlägigen Fernsehsendungen befassten sich mit der Finanzpolitik. Ist natürlich ein ziemlich dröges Thema; schon der Begriff: „Finanzpolitik“ – zum Wegschnarchen.
Ganz anders sieht die Sache natürlich aus, wenn die Rede ist von „Staatsverschuldung“. Nicht wahr? – Das haben Sie mitbekommen. Die ist aber wirklich etwas ganz Schlimmes! Ja, die Staatsverschuldung, natürlich ...
Sagen alle, oder zumindest: fast alle. Ist ja auch logisch. Oder finden Sie es etwa gut, Schulden zu haben? – Haben Sie aber! Und zwar einen ganzen Batzen. Schon fast eine ganze Billion Euro sollen da zusammen gekommen sein. Nicht bei Ihnen, ist klar, aber für Deutschland. Stellen Sie sich das nur mal vor: Tausend Milliarden Euro. Oder eine Million mal eine Million.
Die armen Kinder! Die armen Enkelkinder! Die leiden nämlich am meisten darunter, erzählt man sich jedenfalls so. Klar, weil die ja die Schulden erben. Die können nicht einfach sagen: nein danke, ich schlage das Erbe aus. Dafür müssten sie schon Oberarzt in Oslo oder Investmentbanker in Zürich werden. Aber so weit soll es ja nicht kommen, dass die armen Kleinen noch aus unserem Vaterland vertrieben werden und nur noch Aishe und Mustafa den Rücken krumm machen, um unser Lotterleben nachträglich abstottern zu können. Kommen Sie mir jetzt -ausgerechnet jetzt - bloß nicht damit, dass auf der Haben-Seite möglicherweise ein bisschen was der läppischen Billion auf der Soll-Seite gegenüber stehen könnte. Sagen Sie einfach: „Staatsverschuldung – mein Gott, die armen Kinder!“ Das ist zwar ziemlicher Stuss, erweckt aber den Eindruck, auch schon mal etwas von diesen ganz schwierigen Sachen gehört zu haben.

Keine Angst: hier klappt jeder Stuss

Es wird Sie schon niemand fragen, ob denn die Staatsverschuldung hierzulande höher oder niedriger sei als anderswo. Da können Sie sicher sein. Und damit ich es hinterher nicht wieder Schuld bin, gebe ich Ihnen einen kleinen Tipp. Sollte tatsächlich einmal so ein Neunmalkluger mit so einer beschissenen Frage ankommen, kontern Sie ganz cool mit dem Hinweis. „Ja sicher höher als in anderen Ländern, um ein Vielfaches höher als in Luxemburg oder Norwegen, um nur mal zwei Beispiele zu nennen.“ Spätestens jetzt sind Sie der strahlende Sieger. Die Frauen werden Sie bewundern. Sollten Sie selber weiblich sein, noch ein kleiner Tipp: lassen Sie es besser! Uns Männern reicht es, wenn Sie einigermaßen wirtschaften können.

Und der Aufschwung soll ja jetzt auch in Gefahr sein, sagen jetzt alle. Zu Jahresbeginn erzählte man sich noch etwas Anderes, sehen Sie sich einfach mal die Prognosen 2008 an! Hören Sie: die lügen nicht alle absichtlich, die meisten sind echt so blöd! Okay, ein paar, sagen wir: Schönredner sind auch dabei; schließlich musste ich es ja auch von irgendjemandem wissen, dass bald Schicht im Schacht ist.
Aber wie gesagt, das hat sich jetzt herumgesprochen. Und weil unter diesen Umständen freilich auch weniger Steuereinnahmen als erwartet reinkommen, wurde letzte Woche auf allen Kanälen und in jedem Blatt gemahnt: sparen, sparen, sparen! Was wohl so viel bedeuten sollte (und soll), und mitunter wurde es auch ausdrücklich so gesagt: wenn mehr Geld reinkommt, kann man auch mehr ausgeben; kommt weniger rein, heißt es Gürtel enger schnallen! – An dieser Stelle noch mal ein Tipp für die weiblichen Leser: sowas können Sie ruhig sagen. Ja, Frauen dürfen sich auch zu so komplizierten Themen äußern; wir leben ja nicht mehr im Mittelalter!
Hier können Sie durchaus mit bewundernden Männerblicken rechnen, auch wenn es sich bei dieser Logik um noch weit größeren Stuss handelt als bei der allgemeinen Schuldenphobie. Schauen Sie sich einfach mal – ja, auch die Männer! – in irgendeinem VWL-Schulbuch (Erscheinungsdatum ziemlich schnuppe) das Kapitel an über Konjunktur und staatliche Wirtschaftpolitik an. Und wenn Sie dort finden (in so einem hervorgehobenen Merke-Kästchen), dass der Staat im Aufschwung mehr Geld ausgeben, im Abschwung aber streng sparen soll, dann gebe ich Ihnen einen aus. Trotz Sparzwang oder eben, weil etwas für die Konjunktur gemacht werden muss. Mal überlegen, mal nachsehen!

Wie auch immer: Hauptsache, Sie sind gegen die Staatsverschuldung. Denn gegen die sind alle ... Parteien, Medien und seit neuestem auch Satiriker. Der „kompromisslose Satiriker“ Georg Schramm hat seine Ablehnung allerdings ganz anders begründet als das pseudo-ökonomische Einheitsgeplapper. Und zwar in der ZDF-Sendung „Neues aus der Anstalt“, Folge 16 vom 01.07.2008. Das fand ich so spannend, dass ich darüber sogleich etwas schreiben wollte. Aber ich war ja im Urlaub und komme auch sonst zu nichts. Also schlage ich vor, Sie sehen sich erst einmal die Sendung an; das Video und die Wiederholungstermine finden Sie hier.
Und ich schreibe dann morgen meinen Text; denn übermorgen fahre ich schon wieder in Urlaub. Sie haben es schon geahnt: weil ich die Konjunktur ankurbeln möchte.

Werner Jurga, 08.06.2008

 

[Jurga] [Home] [März 2010] [Marxloh stellt sich quer] [Februar 2010] [Januar 2010] [2009] [2008] [60 Jahre Israel] [Dezember 2008] [November 2008] [Okt. 2008] [Sept. 2008] [August 2008] [Juli 2008] [Juni 2008] [Mai 2008] [April 2008] [März 2008] [Februar 2008] [Januar 2008] [2007] [Kontakt]