Roger Willemsen

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Am 16.12.2008 hat Roger Willemsen in der Fernsehsendung Maischberger daran erinnert, dass im Jahr 2002 fast die, wie er sich ausdrückte, gesamte deutsche Publizistik für den Irak-Krieg, also den Dritten Golfkrieg, plädiert habe. Von Enzensberger bis Karasek hätten sich alle dafür ausgesprochen; und der Broder sowieso. Heute jedoch wolle dies keiner mehr wissen.

Roger Willemsen, der Irak-Krieg
und die deutsche Publizistik

Das weiß ich nicht. Aber davon abgesehen, wenn man denn davon absehen kann, hat Willemsen Recht. 2002 hat sich nicht nur Angela Merkel, sondern auch die überwältigende Mehrheit der „deutschen Publizistik“ für die Invasion in den Irak ausgesprochen. Und es ist ja auch nicht ganz falsch, dass, wenn man schon diese Position bezogen hat, man heute, am Jahresende 2008, nicht so gern darauf angesprochen wird.
Denn die Ergebnisse sind hinlänglich bekannt: Tausende tote Soldaten auf Seiten der USA und ihrer Verbündeten und noch mehr tote irakische Zivilisten, der Folterskandal von Abu Ghraib und die nach über sechs Jahren noch immer völlig desaströse Sicherheitslage. Hunderttausende Irakis sind bereits dieser Hölle entflohen. Die US-Soldaten werden auch allmählich gehen; es bleiben pro-iranische schiitische Terroristen und die Al Quaida bei der gepeinigten Zivilbevölkerung, die sich mitunter das relativ sorgenfreie Leben unter Saddam Hussein zurücksehnt.

Das ist natürlich eine dumme Sache für die überwältigende Mehrheit der „deutschen Publizistik“, die ja damals dafür war. Im Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Und zu Gerhard Schröder, der mit seiner Ablehnung einer Beteiligung am Irak-Krieg den Bundestagswahlkampf 2002 sozusagen im letzten Moment für Rot-Grün drehen konnte.
Wie gut, dass ich nicht zur deutschen Publizistik gehöre! Bei wohlmeinender Betrachtung gehöre ich allenfalls zur Duisburger Publizistik. Heute. Nicht 2002; da gab es diese Homepage nämlich noch gar nicht. Und auch sonst hatte ich mich nicht schriftlich zur Invasion in den Irak geäußert.
Allerdings wiederholt mündlich. Hoffentlich erinnert sich niemand mehr daran. Andererseits: das war auch damals, also 2002, kein Zuckerschlecken. Weder in der Familie, noch im Freundes- und Bekanntenkreis, und – wie Sie sich denken können – schon gar nicht in meiner Partei, der SPD.
Es war deshalb nicht vergnügungssteuerpflichtig, weil ich mit Nachdruck die militärische Intervention und den Sturz Saddam Husseins gerechtfertigt hatte. Ausgerechnet ich – der Werner. Früher war der doch immer so links, für die Friedensbewegung und so. Und jetzt so etwas! – Ja, so war das: das hatte nicht jede Freundschaft überstanden.

Jetzt, wo Obama zu meiner großen Freude US-Präsident wird und das einzig Richtige tun wird, könnte ich ja widerrufen und meine vermeintliche Fehleinschätzung eingestehen. Oder zumindest, weil ich ja nicht zur Gruppe der von Roger Willemsen Denunzierten gehöre, meinen Schnabel zu dieser Angelegenheit halten.

Ich zum Beispiel, die Massenmörder
und die deutschen Friedensfreunde

Das möchte ich aber nicht. Ich hätte gern, dass nicht nur Abu Ghraib, die Neocon-Bande um Bush, das Gefasel vom neuen Irak als Leuchtturm der Demokratie und die Lügen vom Pakt zwischen Saddam und Bin Laden sowie den gefälschten Geheimdienstberichten in Erinnerung bleiben. Mir wäre es nicht Recht, wenn selbstgefällige Deutsche sich auch zukünftig an ihrer Friedensliebe erwärmen und herablassend auf Amerika blicken, denen es ja ihres Erachtens sowieso nur ums Öl gegangen war (unsereinem reicht ja die Pendlerpauschale völlig).
Ich möchte in Erinnerung rufen, dass Saddam Zehntausende völlig unschuldiger Schiiten niedergemeuchelt hat. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass sein „Chemie-Ali“ eine ganze kurdische Ortschaft mit Giftgas ausradiert hat. Die Fernsehbilder von den in den Straßen herumliegenden Leichen gingen um die Welt. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass Saddam auch die beiden ersten Golfkriege angezettelt hatte. Die schwer zu schätzende Anzahl des Ersten Golfkriegs dürfte bei etwa einer halben Million Menschen liegen. Im Zweiten Golfkrieg beschoss Saddam das völlig unbeteiligte Israel mit Raketen, wobei er im Unklaren ließ, ob die Sprengköpfe konventionell waren oder mit Chemiewaffen bestückt.

Es würde zu weit führen, hier das vollständige „Sündenregister“ Saddam Husseins aufzuzählen. Ich beschränke mich auf zwei weitere Punke. Erstens: Saddam hat sich über Jahre konsequent, wenn auch durch Täuschen und Verwirren, der UNO-Kontrolle seiner ABC-Waffenprogramme entzogen. Zweitens: Saddam hat bis an das Ende seiner Herrschaft den Familien aller Selbstmordattentäter, die im Rahmen der zweiten Intifada Blutbäder unter israelischen Zivilisten angerichtet hatten, großzügig bemessene „Pensionszahlungen“ geleistet.
Aus all den hier kurz angetippten Gründen war der Sturz Saddam Husseins völlig unvermeidlich. Ich sehe keinen Anlass, mich dieser Auffassung zu schämen. Ich war nie für Bush, nie für Abu Ghraib; ich war nicht einmal dafür, den Irak zu besetzen. Und ich bleibe dabei: man kann, soll und darf den Auftrag des Grundgesetzes, Menschenrechte und Demokratie in alle Welt zu verbreiten, nicht militärisch interpretieren. Wir müssen uns mit Scheußlichkeiten überall in der Welt abfinden. Aber bei Diktatoren, die Völkermord an den eigenen Bürgern begehen, ist Schluss. Und wer den Staat Israel existenziell bedroht, muss sich sowieso über sein nahes Ende im Klaren sein.

Ich würde mich freuen, wenn Roger Willemsen und viele Andere mir so weit entgegenkommen könnten.

Werner Jurga, 27.12.2008

 

[Jurga] [Home] [März 2010] [Marxloh stellt sich quer] [Februar 2010] [Januar 2010] [2009] [2008] [60 Jahre Israel] [Dezember 2008] [November 2008] [Okt. 2008] [Sept. 2008] [August 2008] [Juli 2008] [Juni 2008] [Mai 2008] [April 2008] [März 2008] [Februar 2008] [Januar 2008] [2007] [Kontakt]