Rudolf Dressler

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Rudolf Dreßler
Botschafter a. D.
Parlamentarischer Staatssekretär a. D.

 

„60 Jahre – Hat Israel eine Zukunft?“
Rede zum Abschluss der Woche der Brüderlichkeit
Ratssaal der Stadt Duisburg, Rathaus, Burgplatz
Sonntag, 9. März 2008, 19.00 Uhr

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Rudolf Dreßler

Den vollständigen Redetext finden Sie auf der Seite der DIG (Deutsch-Israelische Gesellschaft).
Hier wird der Beginn der und Schluss der Rede dokumentiert.

 

Deutsche Geschichte:

Leben im Schatten Hitlers

Während meiner fünf Botschafter-Jahre in Israel hat mich das Leben in der israelischen Gesellschaft immer wieder an jene zentrale deutsche Frage erinnert, mit der meine Erziehung zu politischer Aktivität begonnen hat und auf die ich bis heute keine Antwort weiß:
·Wie konnte die verbrecherische Zwangsvorstellung Hitlers, sein Antisemitismus, der zum Völkermord antrieb, sich in Deutschland durchsetzen?
· Warum hat die Mehrheit sich daran beteiligt, hat zugeschaut, hat weggesehen?
Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, mit der Einmaligkeit der Verbrechen, hat mich gerade in Israel die immer wieder von einzelnen provokativ initiierte sogenannte „Schlussstrich-Debatte“ als gegen deutsches Interesse gerichtetes Engagement empfinden lassen.
Es ist ein gutes Gefühl, dass solche Versuche immer gescheitert sind, egal, ob sie aus Dummheit oder Berechnung gestartet wurden.
Vor einigen Monaten erinnerte uns das Wochenblatt „Die Zeit“ daran, dass wir im Schatten Hitlers leben. Nicht weil eine Wiederkehr des Nationalsozialismus droht, sondern weil sich der Nationalsozialismus entwirklicht, an Realität verloren hat.
Es gibt eine neue Leichtfertigkeit im Umgang mit dem Nationalsozialismus. Nicht, weil der Gegenstand seine Schrecken verloren hat, sondern weil sich der Schrecken vom Gegenstand gelöst hat.
Es geht darum, den Gegenstand wach zu halten.
Der international renommierte israelische Schriftsteller Amos Oz, in Deutschland mit höchsten Ehren ausgezeichnet, hat mit vielen klugen Sätzen den Gegenstand beschrieben, ihn wach gehalten. Eine Mahnung von Amos Oz rufe ich in Erinnerung:
„Die Vergangenheit ist immer gegenwärtig und wird immer gegenwärtig bleiben; doch man muss sich daran erinnern, dass die Vergangenheit uns gehört und nicht wir ihr.“

 

Naher Osten:

Die Zeit drängt

Jedenfalls gibt es eine neue Hoffnung im Nahen Osten. Besonders unter dem Gesichtspunkt folgender Erfahrung:
 „In der nah-östlichen Realität ist das heute Undenkbare morgen selbstverständlich!“
Diese Erfahrung müssen wir in Mitteleuropa selbst dann in Rechnung stellen, wenn die aktuelle Spannung im Gaza-Streifen und den angrenzenden israelischen Städten durch ununterbrochenen Beschuss der Kassam-Raketen hochexplosiv ist. Es darf als sicher gelten, dass die Terrorabteilung der Hamas keine friedliche Lösung des Konflikts will. Ein Friedensvertrag wird selbstverständlich die Anerkennung Israels beinhalten. Genau dieser Punkt ist für den militärischen Arm der Hamas bis heute nicht verhandelbar.
Der internationale Konflikt mit dem Iran stellt sich für Israel als zusätzliche existentielle Bedrohung dar. Die Möglichkeit von Atomraketen angegriffen zu werden, wird nicht als abstraktes Szenario empfunden. Die iranische Grenze ist nur wenig mehr als tausend Kilometer entfernt. Der Frontalangriff des iranischen Präsidenten gegen die Existenz Israels wird in ihrer Dimension einem Deutschen klarer wenn er sich vorzustellen vermag, dass es um eine Entfernung von Kiel bis München geht.
Eine Gesellschaft, deren Existenz von Nachbarn fortwährend in Frage gestellt wird; eine Gesellschaft, deren Entstehungsgeschichte die Verbrechen des Holocaust begleitet; eine Gesellschaft, die in ihrer jungen Geschichte sechs Angriffskriege erlebte, sozialisiert sich anders, als wir Europäer es uns „leisten“ dürfen.
Der „Count-down“ hat längst begonnen. Gleichwohl benötigt die Region viel mehr Zeit als Europäer und die USA gegenwärtig intellektuell bereit sind einzuräumen. Den Berg von Problemen politisch einer Lösung zuzuführen ist das eine; religiöse Fragen damit zu verknüpfen oder sie auszuklammern, das andere.
Wer von einer Finallösung bei solcher Gemengelage ausgeht, muss acht geben, dass er nicht durch einen Alptraum geweckt wird.
Die Demographie grenzt den Zeitrahmen für Israel ein. Die soziale Lage der Palästinenser setzt deren Zeitrahmen Grenzen.
Auf den Zeitfaktor zu setzen bringt keiner Seite einen Vorteil. Alle Zeit wird dringend gebraucht Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen. Beide Bevölkerungen aber, haben keine Zeit zu warten.

 

D e u t s c h - I s r a e l i s c h e G e s e l l s c h a f t
-Arbeitsgemeinschaft Duisburg, Mülheim, Oberhausen-

 

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