Sachen gibt´s

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Sachen gibt es, die gibt es gar nicht. – So weit, so klar, so einfach. Was die Sache unnötig verkompliziert, ist der Umstand, dass es bedauerlicherweise auch Sachen gibt, die es tatsächlich gibt. Alles klar?

Und wenn ja, wie will man die bloß unterscheiden? Also die einen Sachen von den anderen Sachen? – Das sind ja Sachen!
Machen wir es also konkret; denn am Beispiel wird so manches deutlicher. Also zum Beispiel die UWP, also die „unbekannte weibliche Person“, die meistgesuchte Frau Deutschlands: Seit 16 Jahren wird sie gejagt wegen einer beispiellosen Serie von Verbrechen. Vom Einbruch in eine Gartenlaube bis zum Polizistenmord, überall hatte sie ihre DNA hinterlassen, die UWP. Ganze Stäbe von Landesbeamten (doch, so was gibt es!) haben jahrelang gearbeitet (ja, so was gibt es auch!), aber sie einfach nicht finden können, die UWP. Dabei gibt es sie auch ganz bestimmt. Alles spricht dafür, dass es sich hier um eine osteuropäische Wattestäbchenpackerin handelt. Und vieles spricht dafür, dass man sie finden wird, die UWP. Und gewiss wird die Packerin dann nicht auspacken, sondern behaupten:  

„Ich bin völlig unschuldig!“

Das kann natürlich jeder sagen. Und so sagt es auch fast jeder. Nicht nur vermutlich demnächst die dann nicht mehr unbekannte UWP, sondern auch – bereits vorgestern – ein BMA. Also ein „bekannter männlicher Abgeordneter“.
„Ich bin völlig unschuldigâ€, sagte am Donnerstag ein fassungsloser Rainer Bischoff gegenüber der WAZ. Gut, das sagen sie – wie gesagt – alle. Allerdings steht im diesem Fall die Beweislage ziemlich eindeutig. Es lag nämlich ein amtliches Protokoll vor. Und da stand klipp und klar „Nein“. Und da es ein amtliches Protokoll war, bedeutet das nichts Anderes, als dass Beamte das verfasst hatten. In diesem Fall: Landesbeamte. So weit, so klar, so einfach. „Nein“.
Sachen gibt es, die gibt es gar nicht. Da stellt die SPD-Fraktion im NRW-Landtag den Antrag, dass der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst uneingeschränkt für die Beamten übernommen werden soll. Und was macht mein Abgeordneter, der SPD-Mann Bischoff, der zudem noch DGB-Bezirksvorsitzender ist? – Stimmt kackfrech mit „Nein“. Stand jedenfalls im Protokoll.

Und was machen in so einem Fall die – nein, nicht „die“, also: einige Landesbeamte. Klar, sie beschweren sich; in Form von Anrufen und E-Mails – unisono böse und vorwurfsvoll. War es nur eine Handvoll treuer Staatsdiener, die sich in gebührender Form bei Herrn Bischoff gemeldet hat? - Viele und wütende Beschwerden, schreibt die WAZ. Nochmal: viele sind nicht alle. Und wütend werden kann man ja durchaus schon mal. Insbesondere wenn es ums Futter geht.
Zum Beispiel mein Hund. Gut, der ist zwar kein Beamter, schon gar kein Landesbeamter, aber er ist treu. Und weil er bei uns immer schön sein Futter bekommt, passt er auch ganz toll auf uns auf. Richtig wachsam ist er, und zwar immer. Und wenn der irgendein Geräusch hört, das er nicht richtig zuordnen kann, dann denkt auch der nicht erst groß nach. Dann macht der sofort richtig Palaver. Sicher, Telefonieren kann er nicht, ist ja auch kein Beamter, auch nicht Mailen. Aber Bellen dafür umso mehr. Irgendeine Unklarheit, irgendetwas, das ihm nicht in den Kram passen könnte: dann bellt der wie verrückt.
Ich rede ihm dann gut zu und gebe ihm ein Leckerchen. Und wenn er sich ganz doll aufgeregt hat, auch mal zwei. Dann geht es meist wieder. „Hunde, die bellen, beißen nicht.“ Ich habe keine Ahnung, wer diesen Spruch in die Welt gesetzt hat. Vielleicht, also muss nicht, kann aber gut sein, dass dieser Quatsch einem Landesbeamten eingefallen ist. Denn diese „Weisheit“ ist nicht nur falsch, sondern auch erkennbar blöd.
Man kann unsere Landesbeamten nicht alle über einen Kamm scheren. Die meisten sind Lehrer, und nicht einmal die sind alle gleich. Viele sind auch Polizisten, und die anderen alles Mögliche. Sie arbeiten in Landeskrankenhäusern oder schreiben das Protokoll im Landtag. Und wenn die aufschrieben - nur mal so als Beispiel - „Hunde, die bellen, beißen nicht“, und wenn dann mein Hund – nur mal so angenommen – dann doch bellt, bevor er Sie beißt, dann entschuldigt sich der protokollarische Dienst eben. Wie bei Rainer Bischoff, der selbstredend im Landtag mit Ja gestimmt hatte. Im Falle meines Hundes würde ich sagen: „Darf nicht passieren, ist aber passiert.“ Das haben die Landesbeamten nämlich im Fall Bischoff auch gesagt.

Wie gesagt, die meisten Landesbeamten sind keine Protokollführer, sondern Lehrer und Polizisten. Wenn Sie einem von denen beim nächsten Mal ganz fassungslos sagen: „Ich bin völlig unschuldig!“, wundern Sie sich dann bitte nicht, wenn der eine den anderen schmunzelnd mitteilt: „Sachen gibt es, die gibt es gar nicht.“

Werner Jurga, 28.03.2009

 

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