Sinn und Unsinn

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Die FAZ. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Sie wissen ja: Dahinter steckt immer ein kluger Kopf. Wir dürfen annehmen, dass dies auch für die Online-Ausgabe FAZ.NET gilt.

Es versteht sich, dass unter diesen Umständen den Lesern auch Kluges geboten werden muss. Auch und gerade zur Finanzkrise.
Und so geschah es, zum Beispiel gestern, am 12. Oktober 2008. Während Sie auf dieser Webseite ständig mit dem zukunftspessimistischen Genörgel über den Kapitalismus und so weiter belästigt werden, erhalten Sie bei der FAZ frohe Kunde aus berufenem Munde. Im Gespräch teilt Hans-Werner Sinn, der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, mit:

„Wir sollten uns nicht verrückt machen lassen“

Ifo hier, Ifo da – Ifo-Geschäftsklima-Index, Ifo-Konsumklima; das macht Sinn. Trotzdem: die FAZ hat keine Angst vor großen Tieren. Gleich die erste Frage zeigt die Handkante:

Herr Sinn, trauen Sie sich als Wirtschaftsforscher noch Prognosen zu?

Ja, natürlich. Kommenden Dienstag veröffentlichen die Wirtschaftsforschungsinstitute wieder ihre Konjunkturprognose.

Cool gekontert. Nicht mit Sinn! Wäre ja auch unvorstellbar: deutsches Wirtschaftsleben ohne Ifo-Zahlen. Außerdem muss Prof. Sinn ja auch von Irgendetwas leben!

Müssen wir nicht sagen: Zur Marktwirtschaft gehören solche Krisen dazu?
Nein, sie gehören nicht dazu. Sie sind Unfälle, die man in Zukunft vermeiden muss.

Man muss sich natürlich fragen: was ist in die FAZ gefahren? Krisen gehören zur Marktwirtschaft? Marxismus in der FAZ? – War bestimmt nur Spaß! Aufklärung – eine rhetorische Frage, weil ja im Augenblick so viel dummes Zeug geredet wird. Eine Steilvorlage für den Guru der deutschen Ökonomie, der die Gelegenheit nutzt, noch einmal klipp und klar zu machen, was man weiß, was man wissen sollte.

Krise und Marktwirtschaft – ein Zusammenhang? Na, ich bitte Sie: ein Unfall. Sicher, gibt es immer wieder mal, so ein Unfall. Das müssen wir uns so vorstellen wie im Autoverkehr; da passieren ja auch schon mal Unfälle. Die Unfallursachen sind mannigfaltig: zu hohe Geschwindigkeit, Alkohol am Steuer und / oder allgemeine Unachtsamkeit. Aber doch nicht der Autoverkehr selbst.

So müssen Sie sich das auch mit der Marktwirtschaft vorstellen: das System selbst ist gut, sogar das beste. Allerdings: zu hohe Geschwindigkeit (hier: Turbo-Kapitalismus), Alkohol am Steuer (hier: Gier der Finanzmanager) und / oder allgemeine Unachtsamkeit (hier: Herdentrieb der Kapitalanleger); da kann es natürlich schon mal krachen.

Ist aber alles halb so wild. Einfach die Scherben von der Straße Fegen und natürlich – ganz wichtig: den oder die Schuldigen ermitteln! Im Übrigen:

Die jetzige Krise wäre im Übrigen vermeidbar gewesen.

Klar! Denn eigentlich ist ja so was gar nicht nötig, wenn alle nur ein bisschen aufpassen!

Sie basiert nicht auf einem grundsätzlichen Fehler des Kapitalismus, sondern liegt viel mehr in der Regulierung des amerikanischen Finanzsystems.

Gut, dass es endlich mal einer sagt – hat sich ja sonst keiner getraut! Die Amis sind schuld. Hier sagt Sinn dann auch mal „Kapitalismus“; okay: haben wir auch, aber hier gehört dieses fiese Wort wirklich auch hin. Das heißt: eigentlich haben wir ja Soziale Markwirtschaft. Die Amis haben uns jetzt in diesen ganzen Schlamassel mit reingezogen. Keine Frage: unsere Bankmanager haben sich von der Gier aus Übersee auch anstecken lassen. Aber das ist erstens nicht die eigentliche Ursache und zweitens so rein gar nicht unsere Art.

Die Amerikaner wollen etwa, dass wir uns an den Kosten ihres Rettungspakets beteiligen. Obwohl wir in Deutschland unschuldig sind und ohnehin schon betroffen sind, weil wir das Geld, das wir ihnen geliehen haben, vielfach nicht zurückbekommen.

Ja echt, ey! Außer die Stadt Duisburg, versteht sich. Frech, diese Amis! Aber nicht nur die:

Auch in der Europäischen Union gibt es die Idee für einen Fonds. Da kann man als Deutscher ja nur mit dem Kopf schütteln. Uns geht das hier in dem Maße ja gar nichts an.

Eben! Was soll uns das auch schon angehen?! An unser Geld wollen sie alle dran; das ist es doch! Aber nicht mit Sinn! Gut, dass unsere Regierung auf ihn hört und nicht auf Ökonomen, die von der Deutschen Bank oder der Gewerkschaft bezahlt werden. Da könnte sich das Ausland die Hände reiben.

Wir haben unsere Industrie in Deutschland.

Ehrliche Arbeit eben! Gut, selbst daran hat Prof. Sinn einige Jahre lang zweifeln müssen. „Basar-Ökonomie“ hat er unsere deutsche Wirtschaft genannt, weil eigentlich nur im Osten produziert werde und bei uns nur zusammengebaut und dann wie auf dem Basar gezockt. Zu warnen hat immerhin Sinn gemacht. Aber jetzt, wo es ernst wird, steht der Mann zu seinem Vaterland.

Wir haben unsere Industrie in Deutschland. Die Engländer haben ihr Finanzsystem. Und jeder lebt davon. Wenn unsere Industrie aber am Ende wäre: Ob dann die Engländer auch dafür einspringen würden, mit einem europaweiten Fonds? Ich denke, nicht.

Die Engländer, ausgerechnet. Die haben doch auch Kapitalismus – und nicht wie wir: Marktwirtschaft. So neoliberal anstatt sozial. Nee, nee, wir machen unsere eigene Lösung. Jeder kümmert sich um, wenn ich das mal so sagen darf, wie es unsere Kanzlerin dem französischen Präsidenten gesagt hat, um seinen eigenen Scheiß. Wir eben national und sozial, wie wir halt so sind.

Werner Jurga, 13.10.2008

 

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