Venedig des Westens

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Heute hole ich – wie immer – die WAZ rein. Noch total schlaftrunken – wie immer. Sofort springt mir die fette Schlagzeile in die halbverschlossenen Augen – wie immer. „CDU kämpft gegen Gettos“ – wie immer.

„Diese Schweine“, dachte ich mir - wie immer. Aber das war mal wieder typisch: nichts gelesen, keine Ahnung, aber von vornherein brutalstmöglich gegen die CDU – wie immer.
So geht es natürlich nicht! Also habe ich erst einmal eine Tasse Kaffee getrunken, eine Zigarette geraucht, um mir mit frisch verkabeltem Gehirn mal ganz vorurteilsfrei den Artikel durchzulesen. Und – kannste mal sehn: gar nicht von Dummsdorf, die Schwarzen! Na ja, sagen wir mal nicht alle.
Und weil die einen schon wissen, was die anderen partout nicht wahrhaben wollen, nennt das die CDU dann auch gleich „Reformkongress“. Da wissen die da unten von vornherein, dass es eine Durchsage von oben geben wird. Und die gab es dann auch am letzten Wochenende in Bonn auf der Parteiveranstaltung, die – Sie ahnen es schon – eben nicht „Kommunalpolitische Konferenz“ hieß, sondern erstens „Kongress“ – das ist ja mal das Mindeste -, und zweitens „Reform“. Denn es ging zwar einerseits nur um Kommunalpolitik, andererseits – ob es einem nun gefällt oder nicht – ist das immer auch Ausländerpolitik. Jedenfalls durfte man die früher noch so nennen; heute heißt sie Integrationspolitik. Und weil das wiederum nicht jedem in der CDU angenehm in den Ohren klingelt – Sie wissen schon: „Reformkongress“. Tja …

„Unangenehme Realitäten zu benennen“, schreibt die WAZ, „ist nicht gerade die Stärke von Parteiveranstaltungen.“ Zumal nicht bei der CDU; denn:

„Noch immer machen sich viele in der CDU etwas vor

und haben nicht verinnerlicht, dass die Zuwanderer dauerhaft hier blieben.“ Wobei dies jetzt beigesteuert wurde von Thomas Hunsteger-Petermann, Oberbürgermeister in Hamm und Chef der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU. Ach ja, richtig: deswegen brauchte es ja einen „Reformkongress“, weil sich so viele in der CDU etwas vormachen.
Aber damit ist jetzt mal langsam Schluss; denn der nordrhein-westfälische CDU-Chef ist nämlich – ich will nicht sagen: von Hause aus, aber immerhin – Arbeiterführer. Rüttgers, der Arbeiterkämpfer! Und wie der kämpft - wie immer. Und zwar gegen die Spaltung der Gesellschaft – wie immer. So auch vor Kommunalpolitikern. Denn Sie können sich ja gar nicht vorstellen, was in diesem Turbo-Kapitalismus alles passieren kann:
„Die Stadt zerfällt dann in Stadtteile, in denen nur Yuppies mit Cabrios leben und in Quartieren mit verdichteten sozialen Problemen.”
Wie Sie wissen, ist es derzeit so schlimm noch nicht, was wir schon allein daran erkennen können, dass uns die Cabrios (noch?!) vorzugsweise in den verdichteten sozial problematischen Quartieren mit geiler Car-HiFi unterhalten und erfreuen. Aber dann? Und: was meint Genosse Rüttgers eigentlich mit „dann“?
Jetzt halten Sie sich fest! Ist echt passiert, würde Mario Barth sagen. Wirklich wahr, steht heute in der WAZ:

Da sagt doch der Rüttgers seinem Club:
Dabei sei es ein Fehler, nur die Innenstädte oder einzelne Stadtteile herauszuputzen, da dies die Spaltung der Gesellschaft befördere.
Zack, das hat gesessen! Ich hatte ja bei dem Kameraden aus Hamm schon angenommen, dass der seine Spitzen insbesondere gegen die Duisburger Schwarzen abschießt. Aber der Rüttgers! Kannste mal sehen, der sagt es frei raus: Innenstadt herausputzen und Bezirke hängen lassen – das läuft nicht. Diese Spaltung der Gesellschaft muss ja letztlich zum Untergang der Stadt führen. Ja Untergang, sage ich. Aber das sagt Rüttgers, gerichtet an die Stadtspitzen, ein Beispiel sei

etwa Duisburg, das sich zum „Venedig des Westens” entwickelt habe.

Bitter!

Werner Jurga, 22.09.2008

 

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