Adolf Sauerland

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Vortragsveranstaltung
zum Abschluss der
„Woche der Brüderlichkeit 2008“
am 9.3.2008, 19.00 Uhr,
Rathaus Duisburg, Ratssitzungssaal

Begrüßung durch
Oberbürgermeister
Adolf Sauerland

Sauerland.OB01

Oberbürgermeister Adolf Sauerland

Meine Damen und Herren,

ich zitiere aus der Presse von Donnerstag:

„Jerusalem: Beim schwersten Anschlag in Israel seit mehr als einem Jahr sind in einer Jerusalemer Religionsschule acht Jugendliche getötet worden. Die Opfer sind 15 und 16 Jahre alt. Polizeiangaben zufolge stürmte am Donnerstagabend ein bewaffneter Palästinenser das Gebäude und schoss wild um sich. (...) An mehreren Orten im Gazastreifen sowie im Libanon kam es nach Bekanntwerden des Attentats zu spontanen Freudenkundgebungen. Die radikalislamische Hamas sprach von einer «Heldentat». Diese sei die «normale Antwort auf die Verbrechen der Besatzungsmacht» Israel. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte den Gewaltakt hingegen.“

So weit das Pressezitat.

Ich habe lange überlegt, meine Damen und Herren, ob ich mein Grußwort mit diesen schrecklichen Worten beginnen soll. Und ob hier nicht besser die Hoffnung, also der von David Ben-Gurion geforderte Glauben an Wunder, an erster Stelle stehen sollte.

Aber so gern wir an Wunder glauben wollen, so sehr sind wir im Nahen Osten von einer Realität umfangen, bei der einem das Wort „Wunder“ im Halse stecken bleiben will. Terror, Unfrieden und kriegerische Konflikte prägen die Wirklichkeit des israelischen Staates. Friedensträumen nachzuhängen und dabei die Realität auszublenden, macht keinen Sinn. Am wenigsten im Nahen Osten.
Die Realität zu sehen, wie sie ist, aber den Mut und den Glauben nicht zu verlieren, dass es dort Frieden geben kann, das ist die Herausforderung der Stunde. Aber ich gestehe auch: Es ist schwer genug, an den Frieden zu glauben, wenn uns die Realität so grausam anderes lehrt wie vor wenigen Tagen. 

Herzlich begrüße ich Sie, meine Damen und Herren, hier im Sitzungssaal des Rates der Stadt Duisburg. Ich freue mich sehr, dass wir uns hier in diesem Raum versammeln, um Ihren Vortrag, sehr geehrter Herr Dressler, zu hören und um an diesem Sonntagabend gedanklich einen Bogen über 60 Jahre zu schlagen. Von uns heute in das Gründungsjahr des Staates Israel 1948 und wieder zurück nach 2008, wo wir uns fragen, welchen Stellenwert ein freies, selbstbestimmtes und friedliches Israel für die Völkergemeinschaft und speziell natürlich für uns Deutsche hat.

Ich finde es wichtig, dass wir dies in diesem zentralen Raum im ersten Haus der Stadt tun, denn damit setzen wir das Gründungsdatum des Staates Israel, seine Geschichte über sechs Jahrzehnte und seine vielen existenziellen Fragen bis heute sinnbildlich ins Herz der Stadt. Die Fahne Israels weht heute vor diesem Rathaus, um dies auch nach außen zu symbolisieren.

Und weil mir dies ein Anliegen ist, bin ich der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ausgesprochen dankbar für die Initiative zu diesem Abend in gemeinsamer Trägerschaft mit der Stadt.

Meine Damen und Herren,
in den 60 Jahren seiner Geschichte ist der Staat Israel nicht geworden, was er doch eigentlich sein wollte und immer noch werden will: ein ganz normaler Staat. Diese Form der Normalität wäre wohl wirklich das Wunder, von dem David Ben-Gurion seinerzeit träumte.
Dass den dort lebenden Juden bis heute das Glück vergönnt ist, in einer friedlichen Normalität zu leben, wie sie uns hier in Europa selbstverständlich ist, kann die internationale Völkergemeinschaft und am wenigsten uns Deutsche kalt lassen.

Denn die Existenz eines freien, selbstbestimmten und friedlichen Staates Israel ist nicht allein eine völkerrechtliche Frage, mit der sich Staatsrechtler zu beschäftigen hätten. Sie ist auch eine moralische Frage, über die wir uns alle zu unterhalten haben.

Denn die Gründung Israels vor 60 Jahren war nicht nur Ausdruck des Existenz- und Freiheitswillens des jüdischen Volkes, sondern drei Jahre nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes auch Ausdruck eines universellen Ausrufs „Nie wieder“ der internationalen Gemeinschaft.

„Nie wieder“ sollten Juden wie Staatenlose umher irren, „nie wieder“ in die Rolle des Schwachen und des Opfers hineingedrängt werden, „nie wieder“ Fremde und ohne Heimat sein. Dieses „Nie wieder“ ist gültig bis heute, und sein Spiegelbild ist gewissermaßen ein entschlossenes „immer wieder“, wenn unsere Solidarität mit dem Staate Israel gefragt ist.

In dieser Überzeugung, meine Damen und Herren, haben wir uns heute hier versammelt und dürfen uns auf Ihren Vortrag, sehr geehrter Herr Dressler, freuen. Ich bedanke mich im Namen der Stadt und der beiden Gesellschaften dafür, dass Sie heute Abend nach Duisburg gekommen sind.

Und wenn ich mit einem so fürchterlichen Blick auf die Realität in Israel begonnen habe, so will ich doch mit einem zuversichtlichen Gedanken enden. Lea Rabin, die Frau des israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin, war im März 1999 – ein Jahr vor ihrem Tod – in Duisburg zu Gast, um dem Yitzhak-Rabin-Platz einzuweihen.
Dort sollte ein großer Stein seiner Bestimmung übergeben werden, in den die Worte „Yitzhak-Rabin-Platz“ durch einen Bildhauer eingemeißelt waren. Der Stein wurde eingeweiht, musste dann aber auf Wunsch von Frau Rabin komplett umgearbeitet werden, weil sie bat, ihn im Sinne ihres verstorbenen – nein: ermordeten Mannes „Yitzhak-Rabin-Versöhnungs-Platz“ zu nennen. Und so ist der Stein heute beschriftet.

Frau Rabin prägte hier in Duisburg einen Satz, gesprochen vis-à-vis im Mercatorzimmer, den ich ans Ende meiner Begrüßung stellen möchte. Er passt wunderbar neben den Satz von David Ben-Gurion, der uns durch die Woche der Brüderlichkeit begleitet hat. Lea Rabin sagte, „wenn es möglich ist, dass es eine Versöhnung zwischen Deutschland und Israel gibt, dann ist es möglich, dass sich alle bislang verfeindeten Länder versöhnen.“

Ja, meine Damen und Herren: Versöhnung ist möglich. Selbst nach dem fürchterlichen Anschlag von letzter Woche. Er hat den Glauben an Wunder zur Veränderung der Realität nur noch notwendiger gemacht.

Vielen Dank.

 

Der Hauptredner des Abends, auf den OB Sauerland wiederholt hinweist, ist der SPD-Sozialpolitiker Rudolf Dressler, der fast zehn Jahre als Deutscher Botschafter in Israel tätig war.

 

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