Dem Klaus sein Haus

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Als hätte ich es nicht gesagt! Sachen gibt´s, die gibt es gar nicht. Diesmal zum Beispiel in der soeben erschienenen April-Ausgabe des Cicero.

Da findet sich nämlich auf der Seite 77 ein ziemlich großes Foto, genau von dem Haus, vor dem ich bis vor kurzem noch häufig geparkt habe. Auf dem Behindertenparklatz, genau vor diesem Haus. In der Parterre des Hauses ein Kamps Stehcafé. Wie oft habe ich auf der Bank vor dem Café gesessen, dabei einen Kaffee getrunken und mir mitunter sogar ein leckeres Schinken-Käse-Croissant gegönnt.
Bis vor zwei, drei Jahren pflegte ich hin und wieder dieses hübsche Plätzchen aufzusuchen. In Kamp-Lintfort. Ich wohne jetzt zwar schon seit neun Jahren in Rheinhausen; aber davor hatte es mich für sechs Jahre nach Rheinberg verschlagen. Auch sehr hübsch, und da bin ich auch heutzutage auch noch regelmäßig. Denn da gibt es auch eine ganze Menge. Aber eben doch nicht alles, weshalb ich die ein oder andere Besorgung in Kamp-Lintfort zu erledigen hatte. Und dann bleibt man da halt noch eine Weile kleben. Vor dem schönen Haus mit dem netten Stehcafé am Anfang der Fußgängerzone.

Ein hübsches Haus

Aber die Zeit vergeht. Kamps gehört heute nicht mehr Kamps. Und das hübsche Haus gehört schon ziemlich lange, nämlich seit 1971, nicht mehr den Zumwinkels. Ja genau: Zumwinkel, Klaus Zumwinkel.

 

Dem gehörte nämlich das hübsche Eckhaus. Nicht sehr lange, nur sechs Jahre lang. Er und sein Bruder Hartwig haben es nämlich 1965 von Vater Otto geerbt, der leider viel zu früh verstorben ist. Otto Zumwinkel hatte das Haus bereits 1938 / 39 gekauft, eine bewusste Entscheidung in Sachen Familiengründung. Erst der Hartwig, und 1943 war es endlich so weit. Klaus Zumwinkel erblickte in Rheinberg das Licht der Welt.
Und in dem hübschen Eckhaus mitten in Kamp-Lintfort, in dem ich immer einen leckeren Kaffee und manchmal auch ein noch leckereres Schinken-Käse-Croissant gekauft habe, wurde Klaus groß. Sein Elternhaus. Auf der Straße, die damals noch keine Fußgängerzone war, spielte er mit den anderen Jungs, die auch auf dieser Straße wohnten. Ja, warum auch nicht, wo auch sonst? Klaus machte sich gut in der Schule, dem Adolfinum Gymnasium in Moers.

Und der Papa hat gearbeitet. Und in diesen 27 Jahren vom – ich sage mal – Startschuss in dieses Haus bis zu seinem leider viel zu frühen Tod ganz schön was geschafft gekriegt. Das Zumwinkel-Handelsunternehmen war inzwischen eine Kette mit zehn Kaufhäusern und 50 Discountern.
Als Klaus und sein Bruder 1965 die ganze Kette an Rewe verkauften, waren sie damit, wie man lesen kann, „finanziell unabhängig“. Auf deutsch: eigentlich hatte Klaus ausgesorgt. Eigentlich; aber ein Zumwinkel kennt keinen Müßiggang. Der wäre nämlich aller Laster Anfang. Aber nicht bei einem Zumwinkel. Die FAZ schreibt zu Recht:

Klaus Zumwinkel trägt das Unternehmer-Gen in sich

Aus viel Geld muss einfach noch mehr Geld werden, sagt einem so ein Unternehmer-Gen. Die Sache muss weitergehen. The Show must go on.
Wenn wir nur daran denken, wie bescheiden die ganze Sache angefangen hat. Mit dem hübschen Eckhaus in Kamp-Lintfort. 1938 / 1939 hatten es der tüchtige Unternehmer Otto Zumwinkel und seine resolute Gattin Lotte gekauft. Für 50000 Reichsmark (RM). Otto selbst hatte zwar den Einheitswert der attraktiven Immobilie noch am 9. Januar 1939 schriftlich mit 59700 RM angegeben. Und „Einheitswert“ bezeichnet so ziemlich das Niedrigste, was man sich vorstellen kann. Aber noch einmal zehn Mille weniger; so etwas lässt sich so ein Unternehmer-Gen natürlich nicht entgehen.
Otto Zumwinkel hatte nämlich ein Vorkaufsrecht. Vielleicht auch deshalb, weil er schon am 1. Mai 1932 in die NSDAP eingetreten war. Und die Verkäuferin, die „Ehefrau Kaufmann Georg Winter, Berta geborene Zander“ schien es auch sehr, sehr eilig mit dem Verkauf zu haben. Das mag an der „Reichskristallnacht“ vom 9. November 1938 gelegen haben oder auch an der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938. Wir wissen es nicht. Ein klarer Fall von jüdischer Hast!

Jedenfalls hatten die Eheleute Winter die erste Rate von 20000 RM Hals über Kopf für Tickets nach Südamerika und etliche Bestechungsgelder verbraten. Der rechtschaffene Otto Zumwinkel ist nicht einmal mehr dazu gekommen, die restlichen 30000 RM ordnungsgemäß zu überweisen. Das Vermögen der Winters hat dann schließlich der deutsche Staat eingezogen. Aber die 30000 RM? Sachen gibt´s, die gibt es gar nicht.

Werner Jurga, 31.03.2009

 

Viele weitere Informationen finden Sie bei Geneviève Hesse: Zumwinkel, Zander und die Nazis, Cicero April 2009.

 

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