Das große Ganze in Gefahr

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Und in der Halbzeitpause das „heute-journal“: „ … anschließend sprengte sich der dritte Täter in einer Klinik in die Luft, die von vielen Opfern der ersten beiden Anschläge aufgesucht wurde. Zum Wetter: der Winter hat Deutschland fest im Griff …“

Das ist ja klar, dass das alles etwas flotter gehen muss mit den Nachrichten, wenn ein Länderspiel stattfindet. Wir wollen ja schließlich auch noch wissen, was der Olli Kahn zu alledem sagt. Und abgesehen davon: ich kann das sowieso alles nicht mehr hören. Ich will es auch nicht. Es interessiert mich einfach nicht mehr.

Man sollte die ganzen Dinge auch nicht allzu verkniffen sehen. Wenn ich das schon immer höre: Das große Ganze in Gefahr und so. Ja sicher, da geht eben einmal ein oder zwei Tage lang nichts auf den Straßen. Die Bahn stellt ihren Betrieb ein, und die Flugzeuge bleiben am Boden. Na und? – Da kann der Winter Deutschland noch so fest im Griff haben. Mich nervt es ja auch. Da muss man etwas Geduld haben. Es wird Frühling, das ist gesetzmäßig. Und gut ist.

Rein psychologisch gesehen ist das natürlich extremst ungünstig, wenn man sich in der 45. Minute ein Tor fängt – zumal, wenn es ein absolut blödes Tor ist. Wenn der Torwart raus kommt, muss er den Ball haben, sagt der Olli Kahn. Und der muss es ja wissen. Manchmal fehlt halt die Zehntelsekunde. Aber deshalb gleich eine Gefahr für das große Ganze heraufbeschwören? – Typisch deutsch, sowas. Außerdem sind wir eine Turniermannschaft. Wenn es um etwas geht, dann können wir Deutsche ganz anders. Man sollte das alles nicht so verkniffen sehen.

Im Irak zum Beispiel hat sich die Sicherheitslage deutlich verbessert. So ganz bekommen Sie die Selbstmordanschläge da natürlich nicht weg. Das liegt bei denen so ein bisschen in der Mentalität. Trotzdem: das sind schon viel weniger geworden. Keine Frage: an der Situation im Irak gibt es nichts zu beschönigen. Aber deshalb – frage ich Sie auch hier - gleich eine Gefahr für das große Ganze heraufbeschwören? – Etwas mehr Gelassenheit täte uns da allen ganz gut. Die Auftragseingänge aus dem Irak legen schon wieder ordentlich los.

Auch an der Heimspielniederlage der deutschen Mannschaft ein Vierteljahr vor der WM gibt es nichts zu beschönigen. Wenn ein Torwart raus kommt, muss er den Ball haben. Vielleicht war er einfach nur übermotiviert, der Adler, meint Bela Réty. Weil der ja kurz zuvor als Nummer Eins gesetzt worden ist. Und dann fehlt eben einmal die Zehntelsekunde. Na und? Ist deswegen etwa das große Ganze in Gefahr?! – Jetzt müssen wir einfach einmal Nervenstärke zeigen.

Gucken Sie mal: die Griechen zum Beispiel. Die haben Nerven! Dass die überhaupt noch unseren Otto, den Rehakles bezahlen können! Gut, Sie wissen es, ich weiß es: eigentlich können sie das gar nicht, diese Griechen. Aber da haben die einfach eine ganz andere Mentalität als wir: die fragen gar nicht danach. Das ist denen piepeschnurz. Ob die das Geld haben oder nicht: die kaufen erst einmal auf Pump. Und dann noch mal und noch mal. Und wenn die sich dann übernommen haben, weil sie ihre Schulden nicht mehr bezahlen können, lässt die das auch immer noch ziemlich kalt.

Die haben da einfach eine ganz andere Mentalität. Die sagen sich: wir müssen einfach gut im Fußball dastehen, koste es, was es wolle. Deshalb leisten die sich den Otto. Der ist da richtig König Rehakles. Die sind nicht so wie wir. Anständig wirtschaften, immer auch mal sparen. Da lachen die drüber. Wir überlegen uns nämlich immer, was wir uns leisten können und was nicht. Und wenn da so ein Yogi Löw und – noch schlimmer - so ein Oliver Bierhoff ankommt und den Hals nicht voll kriegen, bitte schön! Dann holen wir das Fernsehen und erzählen allen, was das für Schrappsäcke sind. Das haben sie jetzt davon.

Würde der Grieche nie machen; wie gesagt: die Mentalität. Dabei durchaus liebenswert, dieser Grieche. Vordergründig. In Wirklichkeit ist er natürlich durchtrieben und gerissen. Der sagt sich: wenn wir Pleite machen sollten, gucken auch die Deutschen ganz blöd aus der Wäsche. Also sollen die doch unsere Schulden bezahlen. Eine Frechheit, oder nicht? Das große Ganze in Gefahr? Für Griechenland schon. Aber was haben wir damit zu tun?! Und wenn wir denen mal sagen: „Freunde, so geht es aber nicht!! Was machen die dann? Packen wieder so uralte Nazi-Geschichten aus.

Das bringt natürlich das große Ganze in Gefahr. Na und?! Ich bin auf den Euro nicht angewiesen. Und Europameisterschaften wurden schon ausgetragen, als es den Euro noch lange nicht gab. Dann haben wir eben wieder die gute alte Mark – mit dem Adler hinten drauf. Und bei der WM, aber auch bei der EM spielen wir mit dem Adler hinten drin. Besser die D-Mark als anderer Leute Schulden bezahlen. Und außerdem: wer sagt denn, dass der Adler jedes Mal eine Zehntelsekunde zu spät kommt?! Wenn das mit dem Geld in Ordnung ist, klappt es auch beim Fußball besser. Man darf das alles nicht so verkniffen sehen.

Nehmen Sie mal den MSV! Der hat letztes Wochenende sein Heimspiel gegen Oberhausen Unentschieden gespielt. Klare Sache: ein Sieg wäre freilich besser gewesen. Aber unsere Nationalmannschaft hat zu Hause verloren; da bleiben wir auch gelassen und fragen nicht, wo soll das alles hinführen. Aber hier in Duisburg, nur weil es in diesem einen Spiel zwei Punkte mehr hätten sein können: sofort ist das große Ganze in Gefahr. Sagt jedenfalls Walter Hellmich, der große und ganze Präsident des Zebrastalls. Cool ist das ja nun gerade nicht.

Irgendwie zeigt der Nerven, der Walter Hellmich. Zwei Pünktchen, schon ist das große Ganze in Gefahr. Verstehen Sie mich nicht falsch: ich möchte jetzt weiß Gott keine Reklame für den Griechen machen. Aber der ist da deutlich lockerer, von seiner ganzen Mentalität her. Zwei Pünktchen, da trinkt der sich noch einen Ouzo, und der Schafskäse ist gelutscht. Und wenn der mal so richtig pleite ist – der Grieche, versteht sich -, dann sagt der sich: irgendjemand wird die ganzen Schulden schon bezahlen. Aber der Walter Hellmich. Kaum, dass es mal einen Rückschlag gibt, schon ist das große Ganze in Gefahr. Der sieht mir das alles viel zu verkniffen.

Ich kann das sowieso alles nicht mehr hören. Ich will es auch nicht. Es interessiert mich einfach nicht mehr. Herr Gott noch mal! Der Winter hat Deutschland fest im Griff. Na und?! - Da muss man etwas Geduld haben. Es wird Frühling, das ist gesetzmäßig. Etwa so, wie die Konzentration und Zentralisation des Kapitals – steht bei Karl Marx. Okay, von Fußball konnte der keine Ahnung haben. Und um die Profite in der Bauwirtschaft hat der sich auch nicht groß gekümmert. Da musste der Friedrich Engels etwas zu schreiben. Grundrente und so; aber das hat doch der Walter Hellmich nicht gelesen.
 

Werner Jurga, 04.03.2010

 

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